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Wenn ich auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicke, ist es mir ein Bedürfnis, zum Jahresabschluss hier noch einmal drei Weine besonders herauszustellen. Es sind die drei Weißweine, die mich in diesem Jahr am nachhaltigsten beeindruckt haben.

Sie haben mich begeistert und alle meine Sinne berührt, sie haben mich mit ihrer Charakterstärke, ihrer Schönheit und ihrem Reifegrad zum Trinkzeitpunkt schlichtweg überwältigt und mich staunend und ergriffen zurückgelassen. Ich will mich noch einmal an sie erinnern und meine geschätzte Leserschaft daran teilhaben lassen.

Es handelte sich in allen drei Fällen um Riesling, alle waren rund zehn Jahre alt, und sie kamen aus meinen drei favorisierten Weinländern Deutschland, Frankreich und Österreich. (Man kann fragen, wie zufällig das alles ist; ich sehe es als Bestätigung dessen, was ich liebe.)

Die folgende Nennung ist keine Rangfolge. Vielleicht aber auch doch? Die Texte der Verkostungsnotizen sind jedenfalls genau so übernommen, wie ich sie am jeweiligen Abend aufgezeichnet (und bei Facebook veröffentlicht) habe.

2006 Riesling Saering Grand Cru, Schlumberger2006 Riesling Saering Grand Cru, Domaines Schlumberger, Elsass

Ich bin ehrlich bewegt.
Hochfeiner Duft nach Zitronen, Pfirsichen, Kräutern und Toffee mit einem Hauch Petrol; mit Luft zunehmend komplex und mineralisch. Im Mund unglaublich weich und sanft, fast filigran, dabei von bemerkenswerter Festigkeit; Zitrusfrüchte, Pfirsiche, etwas Karamell und zarte Kräuterwürze, sehr feine Säure, erdige, mit Luft immer kompaktere und ein wenig ins Jodige gehende Mineralität, Schmelz, Griff, Tiefe und Länge. Ganz außergewöhnliche Textur, atemberaubende Finesse. Einer der beeindruckendsten Weine, die ich in diesem Jahr getrunken habe. Kann sicher noch mehrere Jahre reifen – aber schöner und besser als jetzt wird er wohl nicht werden.

2006 Rheinriesling, Herbert Nemsovszky, Weinviertel

2006 Rheinriesling, NemsovszkyDas war beinahe schon surreal gestern Abend: ein faszinierendes Unikat von Herbert Nemsovszky aus dem Weinviertel. Ananas, Zitrusfrüchte, Kernobst, später auch Aprikosen, etwas Maracuja und Kräuter, erdige Mineralität, spürbarer Gerbstoff, tief, zupackend und lang mit unbeschreiblichem Zug, animierend, saftig und schmelzig. Ein Riesling-Landwein wider alle Regeln, der (bewiesenermaßen) Rotwein, Roquefort und manches GG in die Schranken weist. Er scheint neben allem zu stehen, doch falsch – Perspektivenwechsel: Er steht im Mittelpunkt von allem. Er ist zeit- und alterslos, setzt eigene Maßstäbe; er reduziert alles auf den Moment, wirkt belebend auf sämtliche Sinne und stiftet anhaltende innere Befriedigung.
2005 Riesling Monzinger Halenberg GG, Emrich-SchönleberMan verzeihe mir diese schwülstige Wortwahl, aber anders kann ich diesem Ausnahmewein nicht gerecht werden. (Er ist übrigens ab Weingut noch erhältlich; mehr Hintergrundinfos möge mein alter Blogbeitrag "Der Zuhörer" liefern.)

2005 Riesling Monzinger Halenberg Großes Gewächs, Emrich-Schönleber, Nahe

Ein Monument.
Einer der beeindruckendsten Weine, die zu trinken ich dieses Jahr das Vergnügen hatte. Schon im Duft extrem tief und kompakt. Komplexe, nachgerade vibrierende Aromatik von teilweise getrockneten Aprikosen und Orangen über Kräuter und einen Hauch Petrol bis zu Karamell. Außerordentlich fein und schier endlos lang mit Druck, Zug und Schmelz. Durchwirkt mit dem ersten Schluck sofort jede einzelne Faser des Körpers und hält die Spannung über Minuten. Das ist ganz, ganz großer deutscher Riesling
und unverkennbar von der Nahe.