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Was klingt wie der Titel einer Folge von „Star Trek“, ist in Wahrheit der Bericht über eine einzigartige Weinprobe in Wien. Winzer Erwin Tinhof aus Trausdorf im Burgenland hatte einen ausgewählten kleinen Kreis von Freunden und Wegbegleitern ins legendäre Restaurant Steirereck eingeladen, um – wie er schrieb – „eine Weinzeitreise der letzten 25 Jahre anzutreten“.

„An diesem Abend möchte ich zu Beginn in sechs Flights mit je drei Weinen aus den Rebsorten Neuburger und Weißburgunder die letzten 25 Weinjahre präsentieren“, hieß es in der Einladung weiter. „Anschließend wollen wir im Rahmen eines fünfgängigen Menüs ebenfalls mit Weinbegleitung aus dem Hause Tinhof die jüngeren Weine verkosten und damit den Abend genüsslich feiern.“ Ich hatte die große Ehre und Freude, dabei zu sein, und auch wenn die Runde „keine Journalistenpartie“ war, wie Erwin mehrfach betonte, bestand sie doch aus Multiplikatoren innerhalb der Branche; sie kamen aus den Bereichen Önologie und Beratung, Fassbinderei, Weinhandel, Weinschulung, Marketing und Publizistik und bildeten insofern nahezu die gesamte Wein-Wertschöpfungskette ab.

Welschriesling 1982 von TinhofSchon der Aperitif setzte ein Ausrufezeichen: Welschriesling 1982, noch von Erwins Vater gekeltert. Der 33 Jahre alte Weißwein duftete nach Zitrusfrüchten mit pflanzlichen Noten und etwas Petrol und entwickelte an der Luft auch Aromen von Karamell und Nüssen sowie Anklänge an Minze. Im Geschmack zeigte er Zitronengras, Heu und Limetten, eine frische Säure und salzige Nuancen. Über weit mehr als eine halbe Stunde öffnete er sich immer weiter und hielt sich völlig stabil – ein beeindruckender Auftakt zu unserer „Weinzeitreise“.

Während der Verkostung wurden intensive Fachgespräche über Rebsorten, Jahrgänge, Terroirs und Flaschenverschlüsse geführt. Die Atmosphäre war konzentriert und gleichzeitig angeregt-kommunikativ – eine ebenso produktive wie angenehme Mischung, die in dieser Form ziemlich selten anzutreffen ist. Dank Erwins Zusammenstellung der Gäste gelang sie jedoch an diesem Abend vortrefflich. Beim Essen war die Stimmung dann unbeschwert gesellig und ganz auf den Genuss ausgerichtet, alle unterhielten sich lebhaft und lachten viel, während sie sich an den unbeschreiblich subtilen Kreationen der Küche erfreuten; nicht ohne Grund ist das Steirereck Österreichs bestes Restaurant.

Ich gebe nachfolgend meine Verkostungsnotizen vollständig und in der Reihenfolge der Degustation wieder. Einzelne Weine hebe ich gemäß meiner persönlichen Präferenz mit dem Status Favorit oder Top-Favorit besonders hervor. Erwin hatte die Weine vor der Veranstaltung nicht probiert und die Flights rein intuitiv zusammengestellt, und wir stellten gemeinsam beglückt fest, dass seine Intuition ihn nicht getrogen hatte.

Wir verkosteten zunächst aus Riedel-Gläsern, wechselten jedoch nach dem zweiten Flight zu Gläsern von Zalto (was das Steirereck dankenswerter Weise spontan ermöglichte), die die Aromen und die Charakteristik jedes Weins noch deutlich differenzierter zum Ausdruck brachten.

Flight 1: Neuburger

Alle Weine dieses Flights waren mit Schraubkapsel verschlossen und waren im Stahltank ausgebaut worden (Fassbinder Franz Stockinger scherzte: „I hab g‘wusst, die Weine ham an Fehler!“).

Jahrgang 2010

Jahrgang 2007

Jahrgang 2006

Flight 2: Weißburgunder

Jahrgang 2001

Jahrgang 1998

Jahrgang 1996

Flight 3: Weißburgunder

Drei Gläser mit WeißweinDieser Flight war in seiner Zusammensetzung der stärkste der gesamten Degustation; alle Anwesenden würdigten ihn als den „Over-Flight“.

Jahrgang 1990

Jahrgang 1992

Jahrgang 1999

Flight 4: Fuchsenriegl

„Riegl“ oder „Riegel“ ist im Burgenland – wie Erwin erläuterte – die Bezeichnung für einen kleinen Hügel. Dort, wo heute die Reben stehen, lebten früher viele Füchse; daher hat der Weinberg seinen Namen. Alle Weine dieses Flights wurden aus der Magnumflasche ausgeschenkt.

Jahrgang 1993

Jahrgang 2000

Jahrgang 2003

Flight 5: Fuchsenriegl

Jahrgang 2002

Jahrgang 1997

Jahrgang 1991

Flight 6: Leithaberg Weiß

Magnum-Flaschen Leithaberg Weiß 2008, 2005 und 2004 von TinhofUm die regionale Herkunft vom Leithagebirge stärker hervorzuheben und als Marke zu profilieren, benannte Erwin die Weißwein-Cuvée Fuchsenriegl ab dem Jahrgang 2004 in Leithaberg um; den DAC-Status erhielt die Herkunftsbezeichnung ab dem Jahrgang 2009. Auch bei diesem Flight wurden alle Weine aus der Magnumflasche ausgeschenkt.

Jahrgang 2008

Jahrgang 2005

Jahrgang 2004

Intermezzo

In der Pause zwischen der Verkostung und dem Essen schenkte Erwin einen weiteren Weißburgunder aus: seinen Golden Erd 2012 aus der Magnumflasche, der weiter im Keller reift und erst in einiger Zeit auf den Markt kommen wird. Momentan ist der Wein auch in einer vollkommen verschlossenen Phase – dicht, kühl, kräftig, mineralisch, würzig, rauchig sind die sensorischen Eindrücke, die ich hier wiedergeben kann.

Bevor der erste Gang serviert wurde, trug das Serviceteam sage und schreibe 14 Kleinigkeiten auf, die uns als höchst kunstvoller Gruß aus der Küche auf das Menü einstimmten.

1. Gang: Neuburger

Schwarzauer Bergforelle mit Melone, Gurke und gebleichten Erbsensprossen

Jahrgang 2011

Jahrgang 2013

2. Gang: Weißburgunder

Geschmorter Junghahn mit Rollgerste, Rhabarber und Mönchsbart

Jahrgang 2014

Jahrgang 2012

3. Gang: Leithaberg DAC Weiß

Hummer mit Weizen, Hafer, Blattkohl und Meyer-Zitrone

Jahrgang 2012

Jahrgang 2009

4. Gang: Blaufränkisch Gloriette Magnum

Schneebergland-Ente mit Pastinake, Erdnuss und Mandarine

Blaufränkisch Gloriette 2002 von TinhofJahrgang 2011

Jahrgang 2004

Jahrgang 2002

5. Gang: Trockenbeerenauslese

Mispeln, Veilchen und Frittaten

Jahrgang 2004

Jahrgang 1995

Tinhof-Logo durch WeinglasDas Bemerkenswerteste an dieser faszinierenden Probe war nach einhelliger Meinung, dass keiner der Weine ernst zu nehmende Altersnoten oder auch nur einen Anflug von Müdigkeit zeigte, was bei einem Spektrum von 25 Jahren ausgesprochen erstaunlich ist. Dieser Umstand beweist die herausragende Qualität der Weine von Tinhof ebenso wie das – grundsätzlich massiv unterschätzte – Reifepotenzial österreichischer Weißweine. Darüber hinaus präsentierte sich jeder der Weine als völlig eigenständig – Persönlichkeiten, die von der Natur (Jahrgang, Lage, Boden) alle jeweils individuelle Anlagen mitbekommen haben und diese im Laufe der Jahre in Ruhe entwickeln konnten. Erwin hatte auch genau die beiden Rebsorten Neuburger und Weißburgunder für die Verkostung ausgewählt, weil sie – so seine Aussage – das Terroir hervorheben, in dem sie wachsen, statt sich selbst (also ihre Sortenaromatik).

Alle Gäste zeigten sich am Ende des Abends restlos begeistert: vom edlen Rahmen und Ambiente, von der Stimmung am Tisch, vom Austausch in der kompetenten, sympathischen Runde, von den fantastischen kulinarischen Sinnesfreuden – und natürlich von den Weinen. Erwins Gemütslage bei der Verabschiedung darf man wohl getrost als beseelt bezeichnen.

Mein tiefer Dank gilt ihm als unserem großzügigen Gastgeber sowie dem gesamten Team vom Steirereck und allen anderen Teilnehmern der „Weinzeitreise“. Dieser Abend wird mir unvergesslich bleiben, denn dies war die eindrucksvollste Weindegustation, die ich bisher je miterlebt habe.