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Auch im ausgehenden Jahr erschien in der Rubrik „Hochgeistiges“ jeden Monat eine Spirituosen-Kolumne von mir im ef-Magazin. Die gesammelten Kolumnen 2021 habe ich nachfolgend wieder hier im Blog zusammengestellt.

Feines aus Venetien

Franceschini Grappa Bianca di Amarone

ef 209 – Januar/Februar 2021

Als im Spätsommer dieses außergewöhnlichen Jahres das Reisen – vorübergehend – wieder möglich war, entdeckte Horst T., Senior-Gastgeber des Restaurants „Fleur de Sei“ in Maintal, bei einem Aufenthalt am Gardasee die Destillerie von Bruno Franceschini. Auch dieser ist mit seinen 81 Jahren ein Seniorchef: Der gebürtige Südtiroler stammt aus einer Weinbaufamilie und beschloss in den 1970er Jahren, den Trester aus der Weinproduktion (also die festen Rückstände nach dem Pressen der Trauben) zu Grappa zu brennen. In dem Handwerksbetrieb in Cavaion Veronese, gut 25 Kilometer nordwestlich von Verona gelegen, arbeiten auch seine Frau Lucia und sein Sohn Luigi.

„Wir destillieren ausschließlich die Trester aus unserer näheren Umgebung, um sie frisch gepresst und ohne jegliche Lagerung zu verarbeiten“, erklärt Franceschini. Die Grappas entstehen im diskontinuierlichen Brennverfahren und werden herkunftsspezifisch produziert: „Im September und Oktober destillieren wir die typischen Trester von Bardolino, Lugana und Val d’Adige, während im Januar, Februar und März die Trester von Amarone della Valpolicella verarbeitet werden.“

Mit zweien der Letzteren machte ich im „Fleur de Sei“ Bekanntschaft; beide mit 45 Volumenprozent Alkohol:

Der Grappa Bianca di Amarone 2015 – gebrannt 2016 – duftet nach Heu, Kräutern, weißen und gelben Früchten, getrockneten (Korn-)Blumen und etwas Limette. Im Mund zeigt er Noten von getrockneten Blüten und Pflanzen sowie Getreide; nach zehn Sekunden erscheinen Aromen von Nüssen, leicht angetrockneten gelben Früchten und Stroh – nachhaltig und sehr fein.

Der Grappa Bianca di Amarone Stravecchia 2010 – nach der Destillation 2011 über fünf Jahre im Barriquefass gereift – duftet nach Honig, karamellisierten Nüssen, Aprikosen, getrockneten Äpfeln, teilweise getrockneten Kräutern und Heu. Im Mund offenbart er Aromen von getrockneten Pflanzen, Heu, dunklem Toffee, Tabak, etwas Kakao und Nussschalen – ein kraftvoller, feiner und nachhaltiger Brand mit Schmelz.

Nah am Wasser gebaut

Aberfeldy 12 years

ef 210 – März 2021

Das Gebäude auf der Flaschendose erinnert eher an ein Herrenhaus als an eine Fabrik – wären da nicht der Schornstein und die Dampflokomotive. So sieht also die Aberfeldy Distillery aus, benannt nach ihrem Heimatort am Fluss Tay in der traditionellen Grafschaft Perthshire in den schottischen Highlands. Das Baudenkmal wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom schottischen Architekten Charles Chree Doig errichtet, der für seinen Pagodenstil bekannt war und insgesamt mehr als 50 Whiskybrennereien in Schottland entwarf.

1896 gründeten die Brüder John und Tommy Dewar die Destillerie Aberfeldy am Ortsrand auf dem Gelände, wo von 1825 bis 1867 bereits Alexander McLean die Brennerei Pitilie betrieben hatte. Aus dem benachbarten kleinen Bach namens Pittiely Burn bezieht die Aberfeldy Distillery noch heute ihr Wasser. Der Name Aberfeldy heißt auf Gälisch Obar Pheallaidh: Obar bedeutet Mündung (nämlich die des Pittiely Burn in den Tay), und Peallaidh bezeichnet in der schottischen Mythologie einen zottigen Kobold, der am Wasser lebt.

1898 nahm die Brennerei ihren Betrieb auf, doch der Familie Dewar gehört sie schon seit 1925 nicht mehr; seit 1998 ist sie Teil des Bacardi-Konzerns. Für die Whiskyproduktion wird Gerstenmalz aus Schottland verwendet, die Fermentation dauert 65 bis 85 Stunden. Danach wird die Maische in Kupferbrennblasen zweifach destilliert. Der Aberfeldy 12 years reift anschließend – ja, genau, zwölf Jahre – in gebrauchten Eichenholzfässern, teils Ex-Bourbon, teils Ex-Sherry, teils Ex-Scotch, teils neu verkohlt. Nach Kältefilterung und Farbstabilisierung wird der Whisky mit 40 Volumenprozent Alkohol abgefüllt.

Er ist bereits in der Nase klar als Highland zu erkennen und duftet nach Zitrusfrüchten, kandierter Ananas und Birne, Zigarrentabak, dunklem Toffee, teilweise getrockneten Blüten, Kräutern und Rauch. Im Mund präsentiert er sich fein und nachhaltig mit Aromen von Rauch, Muskatnuss, getrockneten gelben Früchten, etwas Blütenhonig und Kräutern – sehr angenehm!

Früchte des Lebens

Calvados Pierre Guillotte

ef 211 – April 2021

73 Jahre alt ist Pierre Guillotte und der Natur ebenso verbunden wie seiner Heimat, der Normandie. Auf dem Gehöft aus dem 17. Jahrhundert, auf dem er lebt, ist er sogar geboren. Es heißt „La Ferme du Vieux Presbytère“ – übersetzt: Gutshof am alten Pfarrhaus – und liegt im Dorf Bolleville, etwa 35 Kilometer nordöstlich von Le Havre.

Über 40 Jahre arbeitete Guillotte als Tiefdrucker in einer Druckerei, Mitte der 1970er Jahre pflanzte er nebenher auf seinem Land die ersten Apfelbäume – „einfach zum Vergnügen: Ich hatte Lust, Apfelbäume wachsen zu sehen“, wie er erzählt. Inzwischen sind es vier Hektar, die sein Obstfeld umfasst.

Im Jahr 2008 ging er bei der Druckerei in Rente – doch damit begann erst die neue Lebensphase, von der wir heute profitieren: Guillotte beschloss, künftig die Produkte rund um Äpfel und Cidre zu vermarkten, mit denen er schon lange die Besucher auf seinem Anwesen „versorgt“ hatte. Er kultiviert rund 20 Apfelsorten und erzeugt daraus Apfelsaft, Apfelmost, Calvados und einen traditionellen normannischen Aperitif sowie Apfelessig und ein spezielles Gewürz auf Cidre-Basis. Die Früchte werden Ende September von Hand geerntet und von Anfang Oktober bis Ende Dezember in einer handwerklichen Kelter gepresst.

Bis heute verkauft Guillotte nur ab Hof und auf dem lokalen Wochenmarkt, ausschließlich an Privatpersonen; Händler oder Gastronomen, die nach seinen Erzeugnissen fragen, lässt er abblitzen. Ich verdanke die Bekanntschaft mit seinem Calvados einem Freund, der das Destillat während eines Urlaubs in der Normandie zufällig entdeckte.

Der Apfelweinbrand mit geschützter Herkunftsbezeichnung und 40 Volumenprozent Alkohol reifte im Eichenholzfass und zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Finesse aus: Der Duft ist sehr reintönig mit Noten von Äpfeln und Birnen, floralen Tönen sowie Anklängen an Zimt und Kaffee. Im Mund präsentiert sich der Calvados weich, fein und geradlinig mit Aromen von Mostbirnen, Bratäpfeln und Vanilletabak. So wünscht man sich das!

Schillerndes Wesen

Dun Bheagan Glenallachie 10 years

ef 212 – Mai 2021

Dun Bheagan ist der gälische Name von Dunvegan, einem Dorf auf der schottischen Hebrideninsel Skye, und bedeutet so viel wie „kleine Befestigungsanlage“. Die Ortschaft und der Meeresarm Loch Dunvegan, an dem sie liegt, wiederum sind benannt nach Dunvegan Castle, der etwas weiter nördlich gelegenen Festung selbst, deren Ursprung im 13. Jahrhundert liegt. Dunvegan Castle ist der Stammsitz des Clans MacLeod und die älteste durchgängig bewohnte Burg Schottlands.

Ian MacLeod Distillers ist einer der vier größten unabhängigen Whisky-Abfüller in Schottland und seit der Gründung 1936 im Besitz der Familie, die seit rund 800 Jahren auf Dunvegan Castle lebt. So wählte das Unternehmen den Namen eben jenes Schlosses für seine 1997 geschaffene Whisky-Marke, für die es sorgsam ausgewählte Einzelfässer unterschiedlicher Brennereien kauft, um die Destillate behutsam reifen zu lassen und anschließend – nach althergebrachter Art – ohne Kältefilterung, ohne Farbstoffzugabe und mit viel Zeit für die Reduktion auf Trinkstärke in die Flasche zu bringen.

In der Nähe von Aberlour in der Region Speyside liegt die Brennerei Glenallachie. Sie wurde 1967 gegründet und hat eine wechselvolle Eigentümergeschichte hinter sich; ihr Name bedeutet etwa „Tal der Steine“. Von hier stammt ursprünglich der Dun Bheagan Glenallachie 10 years, der 2006 destilliert und 2017 mit 43 Volumenprozent Alkohol abgefüllt wurde. 

In seinem vielschichtigen Duft offenbart der Whisky Aromen von kandierten gelben Früchten (vor allem Mango), teilweise getrockneten Blüten und Kräutern, Tabak, Vanille, Karamell, Kokos und ein wenig Jod. Im Mund zeigt er sich bemerkenswert kräftig mit Noten von teilweise getrockneten gelben Früchten, Nussschalen, Heu, etwas Karamell und Honig sowie getrockneten, teilweise ätherischen Kräutern (vor allem Salbei und Rosmarin); der Alkohol ist deutlich spürbar. Die Aromen entfalten sich nach dem Schlucken über einen Zeitraum von 30 bis 45 Sekunden am Gaumen und wirken dort sehr lange nach.

Apfel und Birne – kein Vergleich

Lantenhammer Obstbrand

ef 213 – Juni 2021

Äpfel und Birnen sind einander nicht nur optisch ähnlich und gehören beide zur Gruppe der Kernobstgewächse, sondern weisen auch sensorische Ähnlichkeiten auf. Daher werden sie gern kombiniert oder für ähnliche Produkte verwendet: für Calvados, für Cidre oder Poiré, für aus beiden Sorten gemischte Fruchtsäfte oder für den klassischen Obstler.

Einen solchen haben wir hier vor uns, wobei er einen längeren Namen trägt: Obstbrand aus Äpfeln und Birnen, im Holzfass gereift. Er stammt aus der Destillerie Lantenhammer im oberbayerischen Hausham, die nicht nur Edelbrände aus Früchten, Wurzeln und Baumnadeln sowie Fruchtbrandliköre, sondern auch Whisky („Slyrs“ – siehe ef 186), Wodka, Rum, Gin und Essige produziert. Der Familienbetrieb besteht seit 1928 und ging durch vier Generationen, bevor im Jahr 2018 Tobias Maier, der über zwei Jahrzehnte zuvor als Lehrling im Unternehmen begonnen hatte, die Geschäftsführung übernahm. 

„Für unsere feinen Destillate verwenden wir nur Früchte in vollendeter Qualität und Reife. Sie stammen alle aus kontrolliertem Anbau ausgewählter Betriebe und Obstgärten. Für jede Fruchtart wählen wir gezielt die besten Anbauregionen aus“, heißt es auf der Firmen-Website. Die Früchte werden eingemaischt oder mit Neutralalkohol angesetzt und anschließend in kupfernen Brennblasen zweifach destilliert. Danach reifen die Brände in Glasballons, Holzfässern oder Steingutbehältern, bevor sie mit Quellwasser aus dem Mangfallgebirge auf Trinkstärke gebracht werden; im Fall des Obstbrands sind das 40 Volumenprozent Alkohol.

Dessen Farbton ist ein sehr blasses Gelb. Im Duft zeigt der Brand Noten von Äpfeln, Birnen und Blüten sowie Anklänge an Mandarinen und offenbart darunter tatsächlich etwas leicht Rauchiges. Im Mund ist er zunächst sehr geradlinig mit einer klaren, zart süßlichen Frucht von Äpfeln und Birnen, bevor sich nach einigen Sekunden ein feiner und anhaltender Schmelz ausbreitet, innerhalb dessen die Aromen noch lange nachhallen. Äußerst charmant!

Lombardische Finesse

Bellini Grappa Invecchiata

ef 214 – Juli 2021

Die Destillerie Bellini wurde vor genau einem halben Jahrhundert in der norditalienischen Franciacorta-Region gegründet, die in der Lombardei südlich des Lago d’Iseo liegt. Aus diesem Gebiet stammen hochklassige, flaschenvergorene Schaumweine mit geschützter Herkunftsbezeichnung, doch Bellini hat sich der Produktion von Spirituosen und anderen alkoholischen sowie nichtalkoholischen Getränken verschrieben, die im Barbereich ebenso Einsatz finden wie im Konditoreibereich. 

Die 15 Produktkategorien umfassen Gin, Rum, Tequila, Weinbrand, Whisky und Wodka gleichermaßen wie Liköre und Sirupe – und Grappa. Für den traditionellen italienischen Tresterbrand werden die Pressrückstände vergorener Trauben – eben der Trester, bestehend aus Schalen, Fruchtfleisch, Kernen und Stielen (Kämmen) – destilliert. Reift das fertige Destillat dann 12 bis 18 Monate in Fässern aus Eichen-, Kirsch- oder Kastanienholz, darf es die Bezeichnung „Grappa Invecchiata“ tragen.

Der Begriff Grappa stammt vom italienischen Wort für Weintraube, grappolo, ab, das mit dem entsprechenden französischen Wort grappe verwandt ist und sich sowohl in romanischen als auch in germanischen Sprachen zurückverfolgen lässt. Die Ursprungsbedeutungen reichen von „sich zusammenziehen“, „krümmen“ oder „eng“ über „gekrümmte Hand“, „ergreifen“ oder „raffen“ bis zu „Haken“, „Klammer“ oder „Kralle“ und beschreiben damit sowohl die Traube selbst (Konglomerat aus Beeren) als auch den Traubenkamm, mit dem diese am Rebstock hängt.

Der – oder eigentlich gemäß dem grammatischen Geschlecht im Italienischen: die „Finissima Grappa Invecchiata“ (übersetzt: feinster gereifter Tresterbrand) von Bellini ist ein angenehm milder und ausgewogener Digestif mit 40 Volumenprozent Alkohol. Er duftet nach Heu, Zitrusfrüchten und Mirabellen mit kräuterigen und erdigen Anklängen, im Mund präsentiert er sich finessenreich mit Aromen von weißen und gelben Früchten, hellem Malz, Heu und Karamell sowie zartem Schmelz und leicht süßlichem Nachhall.

Sanfter Riese

Peatside 2011

ef 215 – August/September 2021

Fass Nr. 160003, 345 Flaschen: Bei diesem Whisky lässt sich alles nachvollziehen – alles bis auf die Brennereien, aus denen die einzelnen Destillate stammen, denn die werden geheimgehalten. 

Der Peatside ist laut Etikett ein „Blend aus den torfigsten Speyside-Malts“. Er kommt also aus der Region Speyside im Nordosten Schottlands, die ihm die zweite Hälfte seines Namens schenkt. Die erste Hälfte ist das englische Wort für Torf: peat.

Speyside-Whiskys sind üblicherweise schwach oder gar nicht getorft, insofern ist dieser Blend etwas Besonders. Torf besteht aus abgestorbenen Pflanzenresten, die sich über mehrere Jahrtausende in Mooren ansammeln. Er kann gestochen und getrocknet werden und dient dann als organisches Brennmaterial. Da Schottland reich an Mooren ist, wird Torf hier seit jeher als Energiequelle genutzt. So wird oft auch das Gerstenmalz für die Whisky-Produktion über Torffeuern getrocknet (Fachbegriff: gedarrt), und deren Rauch gibt sein charakteristisches, scharfes Aroma an das Malz und schließlich an den Whisky ab.

Das Malz für den Peatside wurde demnach über Torffeuern gedarrt. Destilliert wurde er am 19. Oktober 2011, abgefüllt am 13. August 2018, nachdem er sein Finish (die letzte Reifezeit) in einen ehemaligen Portwein-Fass erfahren durfte. Er gehört zur Spirit & Cask Range des unabhängigen deutschen Abfüllers Whiskymax in Maincausen und hat 50 Volumenprozent Alkohol. 

Der intensive Duft offenbart Aromen von dunklem Karamell und Schokolade, dahinter Noten von Torf, Heu und getrockneten Kräutern sowie Anklänge an kandierte Orangen. Im Mund präsentiert sich die Einzelfassabfüllung vielschichtig, fein und lang mit zart süßlichem Geschmack, leicht röstigen Holznoten, torfigen Anklängen, Aromen wiederum von dunklem Toffee sowie getrockneten Aprikosen und teils kandierten, teils getrockneten Blutorangen, Kräuternuancen und einem Nachhall von Zigarrentabak. Ein faszinierendes und ausgesprochen wohltuendes Genusserlebnis!

Volltreffer

Etter Vieille Orange Barrique

ef 216 – Oktober 2021

Wer sich mit Spirituosen beschäftigt, wird dem Namen Etter sicher schon einmal begegnet sein, denn er steht für eine der renommiertesten Familienbrennereien in der Schweiz.

Die Keimzelle des Unternehmens war der Kirschbrand, den Johann Baptist Etter auf seinem Bauernhof namens Bergli in Menzingen (Kanton Zug) bereits Anfang des 19. Jahrhunderts aus eigenen Früchten im Nebenerwerb herstellte. Im Jahr 1870 gründete sein Sohn Paul Etter die gewerbliche Brennerei in Zug, die heute in vierter Generation von Eveline und Gabriel Galliker-Etter geführt wird. Bis vor 40 Jahren destillierte Etter ausschließlich Kirschen, heute reicht das Sortiment von Schweizer Obstbränden (aus Kirschen, Birnen, Pflaumen, Äpfeln, Mirabellen, Quitten und Aprikosen) über Geiste (aus Himbeeren, Haselnüssen, Orangen und anderen Früchten) und Liköre bis zu Whisky, Rum, Gin und Grappa. 

„Sorte, Boden, Klima, Reifegrad und Witterung sind ausschlaggebend für die Qualität sowie die Quantität der Fruchtbrände“, heißt es auf der Website der Destillerie, und „nur vollreife und aromatische Früchte schaffen nach einer arbeitsintensiven Ernte den Weg“ dorthin. Nach der Vergärung, Destillation und Reifung werden die hochprozentigen Erzeugnisse mit Quellwasser vom Zugerberg auf Trinkstärke gebracht.

Für die Vieille Orange Barrique werden ausgewählte Blutorangen aus Sizilien verwendet: Sie werden zunächst sehr sorgfältig geschält und ihre Schalen und ihr Fruchtfleisch anschließend in Edelstahltanks vergoren. Die Maische wird gebrannt und das Herzstück des Destillats dann teils in 50-Liter-Korbflaschen, teils in 225-Liter-Eichenholzfässern für 18 bis 24 Monate gelagert. Nach der Assemblage wird der Brand mit 40 Volumenprozent Alkohol abgefüllt. Sein animierender Duft ist der von frisch aufgeschnittenen Orangen, im Mund präsentiert sich die Zitrusspezialität fruchtintensiv, kernig und weich mit Aromen von Blutorangen und Bitterorangenlikör – sehr authentisch, faszinierend und nachhaltig.

Scotch zum Dessert

Craigellachie 2008 Port Cask Finish

ef 217 – November 2021

Böttcher, Fassbinder, Küfer – wie auch immer man die Menschen nennt, die Holzfässer fertigen. Auf Englisch heißt der Beruf „cooper“, und die Whisky-Linie „The Cooper’s Choice“ bietet Einzelfass-Abfüllungen von ausgewählten schottischen Destillerien. Dahinter steckt die marketingwirksame Überlegung, dass wohl niemand so gut über die Fassreifung eines Whiskys befinden könne wie derjenige, der das Fass hergestellt hat.

Die Craigellachie Distillery ist nach ihrem Heimatdorf in der Region Speyside benannt, rund 20 Kilometer von Elgin dort gelegen, wo Spey und Fiddich zusammenfließen. Der Name bedeutet in etwa „steiniger Hügel“. Die 1891 gegründete Brennerei wurde von Charles Doig erbaut, die Produktion begann 1898. Ursprünglich im Besitz der Whisky-Unternehmer Sir Peter Mackie und Alexander Edward, gehört Craigellachie nach diversen Eigentümerwechseln heute zum Spirituosenkonzern Bacardi Martini.

Der Craigellachie 2008 Port Cask Finish wurde im November 2008 destilliert und reifte dann erst in einem Fass aus amerikanischem Eichenholz (dem mit der Nummer 9164). Danach lagerte er in einer Portwein-Pipe – dem traditionellen Fass der Douro-Region mit kegelförmig zulaufenden Enden – und nahm den „Geist“ des Portweins in sich auf. 2016 wurden daraus 360 Flaschen mit 46 Volumenprozent Alkohol abgefüllt.

Der Duft erinnert an eingelegte rote Früchte (Erdbeeren, Kirschen), Vanille, Tabak und etwas Rauch sowie Blutorangenzesten und getrocknet-pflanzliche Komponenten (Heu). Im Mund zeigt sich der sieben Jahre gereifte Whisky kraftvoll und nachhaltig mit Aromen von Schokolade, dunklem Toffee und roten Beeren, Tabak, Sandelholz und Vanille sowie einem fein süßlichen Nachhall von Karamell.

Ein Scotch wie ein Dessert – oder noch besser: zum Dessert! Der Craigellachie 2008 Port Cask Finish empfiehlt sich als vortrefflicher Begleiter zu Crème brûlée (klassisch oder vielleicht mit Nüssen oder Beeren), Tonkabohnenmousse, Bayrisch Creme mit Früchten oder Rumtopf mit Vanilleeis.

Pures Wohlbefinden

Chicken Hill Gin

ef 218 – Dezember 2021

Nafpaktos ist eine Hafenstadt im Westen Griechenlands. Am 7. Oktober 1571 errangen hier die christlichen Mittelmeermächte in einer Seeschlacht unter der Führung Spaniens den Sieg über das Osmanische Reich. In Reminiszenz an dieses historische Ereignis trägt der Premium-Weinbrand des spanischen Wein- und Spirituosenunternehmens González Byass den spanischen Namen eben jener Stadt: Lepanto. 

González Byass sitzt in Jerez de la Frontera, der Hauptstadt des Sherry-Gebiets im Süden Spaniens. Daher heißt der Lepanto offiziell Brandy de Jerez. Er wird ausschließlich aus der regionaltypischen Rebsorte Palomino hergestellt (die auch eine der traditionellen Sherry-Trauben ist) und entsteht ebenso wie Sherry im Solera-Verfahren: Zunächst wird aus den Trauben Weißwein gekeltert, der dann destilliert wird. Der Brand reift anschließend in Holzfässern, die in Reihen übereinander gestapelt lagern. Aus der Fassreihe am Boden, der sogenannten Solera, wird der fertig gereifte Weinbrand zur Abfüllung entnommen. Danach wird das betreffende Fass mit dem Inhalt des darüber liegenden Fasses aufgefüllt, und dieser Vorgang wiederholt sich jeweils bis zur obersten Fassreihe. In diese wird dann neues Weindestillat eingefüllt. So vermischen sich die Brände verschiedener Jahrgänge miteinander, und beim Lepanto Solera Gran Reserva dauert diese Fassreifung mindestens 15 Jahre.

Der mahagonifarbene Weinbrand hat 36 Volumenprozent Alkohol und duftet nach Vanille, karamellisierten Walnüssen, Ahornsirup sowie etwas Rosmarin. Im Mund präsentiert er sich sehr fein, weich und nachhaltig mit süßlichen Noten von Karamell, gerösteten Walnüssen und Maronen. 

Und man halte dieses Aromenspektrum bitte nicht für eintönig oder anspruchslos: Dieser Brandy de Jerez ist einfach völlig unaufgeregt und sorgt für tiefes Wohlbefinden; er fordert nichts, sondern er verwöhnt nur – wie ein urgemütlicher Sessel, wie ein warmes, geschmeidiges Schaumbad… oder wie ein beglückender Weihnachtsmarktbesuch in Kindertagen.