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Die Rebsortenfamilie der Muskat-Trauben ist groß und weit verzweigt. Eher noch könnte man von einer „Sippe“ sprechen, denn es gibt enge und entfernte Verwandte sowie „Nenn-Tanten und -Onkel“, die zwar den Begriff Muskat im Namen tragen, aber mit der Muskatellerfamilie selbst gar nichts zu tun haben. In einer kleinen privaten Probe haben wir uns im vinophilen Freundeskreis des Themas angenommen, uns die wichtigsten Familienmitglieder angeschaut und sieben Weine aus vier Ländern zu zwei herbstlichen Gerichten verkostet.

Wieso Muskat?

Typisch für alle Angehörigen der Muskat-Sippe einschließlich der „Nenn-Verwandtschaft“ ist ein würziger, etwas an Harz erinnernder, leicht bitterer bis pikanter Ton, der sowohl in der Nase als auch auf der Zunge wahrnehmbar ist und starke Ähnlichkeit mit den Aromen des Muskatnussbaums bzw. dessen Früchte hat. Die Nüsse und der Samenmantel (Macis) der Muskatpflanze enthalten ätherische Öle, die das beschriebene Aroma verströmen. Dieser Duft wiederum lockt Fliegen an, und Fliege heißt auf Lateinisch „musca“ – so erklärt sich der Name.

Die enge Verwandtschaft

Gewissermaßen das Oberhaupt der Muskat-Familie ist der Muskateller, der auch Gelber Muskateller oder Weißer Muskateller genannt wird und international die Bezeichnung Muscat Blanc trägt. Die Rebsorte mit rund 200 Spielarten und unzähligen Synonymen (etwa in Italien Moscato, in Spanien Moscatel) wird weltweit auf rund 80.000 Hektar angebaut und – besonders im Mittelmeerraum – gern für Süßweine verwendet. Mutationen und direkte Nachfahren des Muscat Blanc (also im übertragenen Sinne die Generation der Eltern und der Kinder) bilden die enge Verwandtschaft. Dazu zählen:

  • Muscat d‘Alexandrie
    Der Muscat d‘Alexandrie (zu Deutsch: Alexandriner Muskat) ist eine Kreuzung aus Muscat Blanc und Axina de Tres Bias. Etwa 80 Prozent der weltweiten Rebfläche von rund 49.000 Hektar liegen in Spanien, aber die Rebe ist tatsächlich auf allen fünf Kontinenten zu finden.
  • Morio-Muskat
    Die Kreuzung aus Silvaner und Muskateller wurde Ende der 1920er Jahre in der Pfalz von Peter Morio gezüchtet. Seit Anfang der 1970er Jahre ist der Bestand in Deutschland stark rückläufig und liegt gegenwärtig bei weniger als 500 Hektar; geringe Mengen werden darüber hinaus noch in Österreich und der Schweiz angebaut.
  • Goldmuskateller
  • Rosenmuskateller
  • Roter Muskateller

Goldmuskateller, Rosenmuskateller und Roter Muskateller sind Mutationen des Muscat Blanc, wobei die beiden letzteren rote Trauben sind. Gold- und Rosenmuskateller werden vornehmlich in Südtirol kultiviert.

Die entfernte Verwandtschaft

Kreuzungen, an denen Kinder des Muskat Blanc oder deren weitere Nachkommen beteiligt waren, bilden die entfernte Verwandtschaft. Zu dieser gehören (unter anderem):

  • Muscat d‘Hambourg
    Der Muscat d‘Hambourg ist eine Kreuzung aus Trollinger und Muscat d‘Alexandrie. Er nimmt weltweit rund 20.000 Hektar Rebfläche ein und wird hauptsächlich als Tafeltraube verwendet. In Württemberg jedoch wird er als Keltertraube genutzt und heißt als solche Muskat-Trollinger oder Trollinger-Muskat.
  • Goldmuskat
    Der Goldmuskat heißt auch Goldriesling, denn seine Eltern sind Riesling und Muscat Précoce de Saumur. Er wurde um 1880 im Elsass von Philippe Christian Oberlin gezüchtet und wird zu einem großen Teil auch dort angebaut. In Sachsen steht Goldriesling auf gut 20 Hektar.
  • Diamantmuskat
  • Edelmuskat
  • Muskatriesling

Diamantmuskat, Edelmuskat und Muskatriesling sind ebenfalls elsässische Züchtungen von Philippe Christian Oberlin und haben alle dieselben Eltern: Riesling und Muscat St. Laurent.

Die „Nenn-Verwandtschaft“

Wie bereits erwähnt, gehören nicht alle Rebsorten, in deren Namen „Muskat“ vorkommt, tatsächlich der Muskateller-Familie an, auch nicht der entfernten. Hier besteht überhaupt kein (gesichertes) Verwandtschaftsverhältnis, doch auch diese Trauben zeichnen sich durch den typische Muskatton aus. Beispiele für solche „Nenn-Verwandten“ sind:

  • Muskat-Ottonel
    Sicher ist Gutedel (Chasselas) als ein Elternteil des Muskat-Ottonel; Muscat de Saumur als zweiter Elternteil ist nicht zweifelsfrei erwiesen. Die Rebsorte belegt in Österreich etwa 360 Hektar, größere Rebflächen bestehen in Südosteuropa sowie im Elsass. In Deutschland wird Muskat-Ottonel in Rheinhessen und in der Pfalz auf insgesamt rund 12 Hektar angebaut.
  • Muscadelle
    Die Verwandtschaft von Muscadelle und Muscat Blanc ist strittig. Außer im Elsass ist die Rebsorte besonders in Südwestfrankreich verbreitet, wo sie oft mit Sémillon und Sauvignon Blanc verschnitten wird. Muscadelle geht auch in die Sauternes-Süßweine ein.
  • Muscadet
    Trotz des eingängigen Namens hat der Muscadet keine Berührungspunkte mit der Muskatellerfamilie; seine Eltern sind die Burgunderrebe (Pinot) und Weißer Heunisch (Gouais Blanc), und er heißt eigentlich Melon de Bourgogne. Die Rebsorte wird seit dem 17. Jahrhundert an der Loire kultiviert und nimmt dort gegenwärtig etwa 13.000 bis 14.000 Hektar ein. Der Bereich umfasst vier Appellationen, deren beiden größte Muscadet Sèvre et Maine und Muscadet sind.
  • Wildmuskat
    Auch der Wildmuskat hat keinerlei Beziehung zur Muskatellerfamilie: Er ist ein Abkömmling des Lembergers (Blaufränkisch) und stammt aus Württemberg.
  • Muskat-Sylvaner
    Muskat-Sylvaner ist ein altes (bis Ende 2000 besonders in Österreich gebräuchliches) Synonym für Sauvignon Blanc – hat also auch mit der Muskallerfamilie überhaupt nichts zu tun.

Die Weinauswahl für unsere Probe war rein willkürlich und umfasste trockene ebenso wie restsüße Weine aus Deutschland, Frankreich, Österreich und Spanien. Dabei kamen Weine aus der engen (explizit Muscat Blanc) und aus der Nenn-Verwandtschaft zum Einsatz.

Partner zum Kürbis

Zu einem Eintopf mit Muskatkürbis (!), Petersilienwurzel und Pökelfleisch probierten wir die folgenden vier Weine:

Nach einhelliger Meinung passte am besten der Elsässer Muscat – kein großer Wein, aber mit seiner Mischung aus gelben Früchten und typischer Muskatwürze überzeugend. Der Muskat Ottonel aus dem Burgenland zeigte sich zwar animierend floral in der Nase, konnte am Gaumen dem Gericht aber nicht standhalten. Der Muskateller aus der Pfalz war seinerseits zu stark im Aroma – zuerst ziemlich seifig und mit mehr Luft sehr zitrusbetont, was mit dem Kürbiseintopf weniger gut harmonierte. Der Muscadet von der Loire hat seine besten Zeiten leider schon hinter sich und erschien insgesamt etwas müde; vor zwei Jahren war er mit Sicherheit deutlich lebendiger.

Partner zum Käse

Anschließend kamen zu einer Auswahl französischer Rohmilchkäse von Kuh und Ziege die folgenden drei – deutlich restsüßen – Weine auf den Tisch:

  • 2010 Muskateller Kabinett, Martin Waßmer, Baden, Deutschland
  • 2009 Moscatel, Bodegas Gran Castillo, Valencia, Spanien
  • 2009 Muscat de Rivesaltes Grain de Vignes, Domaine Lafage, Languedoc-Roussillon, Frankreich

Klarer Favorit war der Muskateller aus Baden: mit differenzierter und harmonischer Aromatik, gut abgestimmter Restsüße und genug Vielseitigkeit, um Weich-, Hart- und Blauschimmelkäse gleichermaßen zu begleiten. Der Moscatel aus Valencia wirkte ein wenig oxidativ und ließ in seinem Aromenbild klare Konturen etwas vermissen. Der Muscat de Rivesaltes präsentierte sich insgesamt als zu süß für den Käse und hätte eher zu einem Dessert mit exotischen Früchten oder zu einer Vorspeise mit Foie gras gepasst.

Liebling des Abends war jedoch ein Wein, der außer Konkurrenz lief, auch wenn hier sogar der Original-Muskateller mitspielte: der 2010er Muskateller & Riesling Kabinett trocken von Theo Minges aus der Pfalz. Die gelungene Cuvée erinnert in ihrer Aromatik etwas an Sauvignon Blanc; mit Frucht, Würze und Säurebiss vereint der unkomplizierte, sofort zugängliche Wein die wesentlichen Eigenschaften der beiden Rebsortenpartner und macht einfach großen Trinkspaß.