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Er lebte für den Wein, und er war ein Genussmensch in jeglicher Hinsicht. Er war ein Kollege und Freund. Am Freitag, dem 19. April, wurde Rüdiger Meyer, Sommelier aus Pähl am Ammersee, Opfer eines tödlichen Verkehrsunfalls. Ende Mai wäre er 50 Jahre alt geworden. Dies ist mein letzter Gruß an ihn.

Ich lernte Rüdiger über die Sommelier-Union Deutschland kennen, in der er als Regionalsprecher Süd sehr aktiv war. Andere Menschen für Wein zu begeistern und ihnen Wissen über Wein zu vermitteln, lag ihm am Herzen. Und das konnte er richtig gut. Bewusst bin ich ihm das erste Mal 2005 in Hamburg begegnet, als er im Auftrag der Sommelier-Union die Koordination für den damals neu etablierten „Busche Deutscher Weinpreis“ übernommen hatte. Bei diesem Wettbewerb habe ich das professionelle Verkosten und Beurteilen von Wein nach Punkten gelernt, so dass Rüdiger mich eigentlich an meinen heutigen Beruf herangeführt hat; ohne ihn wäre ich kein Juror bei Fachdegustationen geworden und könnte heute kein Weinkritiker sein. Ich habe ihm viel zu verdanken.

Wir waren einander auf Anhieb sympathisch, und Rüdigers gute Laune, sein Humor und sein Witz waren ansteckend. Er war immer auf hohem Energielevel unterwegs, redete viel und gern, lachte mindestens ebenso viel und gern, und liebte es zu diskutieren und zu erklären. Ein Berufener, ein Missionar in Sachen Wein und Genuss – gelegentlich auch mit einem Hang zum Übermut. Weinselige Nächte mit Rüdiger wurden stets lang. Unvergesslich der Vorabend zu einer Degustation in Weimar im Herbst 2006, der mit viel Wein und Champagner in der Bar des „Hotel Elephant“ begann und in den frühen Morgenstunden bei Flaschenbier vor der Studentenkneipe nebenan endete. Exzessive – nein, intensive Stunden.

Rüdiger MeyerRüdiger und ich trafen uns mindestens einmal im Jahr, nämlich auf der ProWein in Düsseldorf. Nach Stationen als Sommelier unter anderem in Hannover, London und München sowie als Restaurantleiter und Sommelier in mehreren Häusern in Bayern machte er sich 2003 – vor zehn Jahren – als Wein- und Gastronomieberater selbstständig. Seine Frau Petra und sein Sohn Felix, auf den er extrem stolz war, bedeuteten ihm neben Wein und Kulinarik alles. Er fühlte sich wohl, wenn er umgeben von Menschen war, wenn er kommunizieren und sich inszenieren konnte, und er hat das Leben so vieler Menschen bereichert. Dafür, dass ich einer davon sein durfte, bin ich dankbar.

Im Januar haben Rüdiger und ich auf der HOGA-Messe in Nürnberg Seminare zum 100. Geburtstag des Müller-Thurgau gehalten; er hatte mich gebeten, einen Part zu übernehmen, da er aufgrund einer parallelen Podiumsdiskussion über den Beruf des Sommeliers nicht alle angesetzten Termine wahrnehmen konnte. Dieses Engagement brachte mir wiederum selbst neue, menschlich wie fachlich wertvolle Kontakte – ja, Rüdiger war ein formidabler Netzwerker.

Zuletzt gesehen habe ich ihn am Abend des ProWein-Sonntags Ende März im „Malkasten“ in Düsseldorf: Er war voll in seinem Element, unterhielt ganze Tischrunden und führte zwischendurch immer wieder Zwiegespräche mit einzelnen Partygästen – ein Ausbund an Lebensfreude und Lebenslust. So wird er mir in Erinnerung bleiben.

Und am Freitag nun dieses tragische Unglück. Petra und Felix Meyer verwendeten am Wochenende Rüdigers Facebook-Account (wo er sich bezeichnenderweise „Rüdiger Riesling“ nannte), um die Nachricht von seinem Tod zu verbreiten – und innerhalb kürzester Zeit wurde das Facebook-Profil zum virtuellen Kondolenzbuch... Kollegen, Freunde und Bekannte bekunden ihr Beileid, bringen ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck und wünschen der Familie Kraft und Trost.

Rüdiger, Du hast etwas bewegt in der Weinwelt und mit Deiner warmherzigen Art viele Menschen glücklich gemacht. Du wirst uns allen sehr fehlen. Cheers!

 


 

Wie ich – leider erst nach der Veröffentlichung dieses Nachrufs – erfuhr, forderte der Unfall am 19. April, an dem Rüdiger beteiligt war, auch drei andere Opfer: Außer ihm starben zwei junge Frauen, eine weitere wurde lebensgefährlich verletzt. Hier der Zeitungsbericht in den Schongauer Nachrichten, den mir ein Leser des Blogbeitrags dankenswerterweise übermittelt hat: „Drei Unfalltote auf der B2 bei Weilheim“.

Mein Mitgefühl und meine Anteilnahme gelten nicht nur Rüdigers Familie, sondern ebenso allen Familienangehörigen und Freunden der beiden 21-jährigen Frauen aus Weilheim, die ums Leben gekommen sind, und der gleichaltrigen Autofahrerin aus Eberfing, die mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus liegt, ihrer Familie und Freunden. Die Tragik dieser Geschehnisse ist weitaus größer, als mir beim Schreiben des Nachrufs bekannt war, und hat Leid und Schmerz über mehr Menschen gebracht, als ich zu diesem Zeitpunkt wusste. Deshalb ist mir dieser Nachtrag – für alle Leserinnen und Leser – sehr wichtig.

Etwa sechs Wochen nach dem tragischen Unfall erhielt ich eine weitere Zuschrift. Darin hieß es, Rüdiger sei zum Zeitpunkt des Unfalls betrunken gewesen. Daraus habe ich einen eigenen Blogbeitrag gemacht: „Kein Alkohol am Steuer“.