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Auf der HOGA, der Fachmesse für Hotellerie, Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung in Nürnberg, präsentierte sich vom 13. bis 16. Januar 2013 der Fränkische Weinbauverband mit einer Vinothek und einem Seminarprogramm zum Thema „Erfolg in der Gastronomie mit dem regionalen Weinkonzept“. Im Rahmen dieses Programms hatte ich das Vergnügen, am Messesonntag ein Seminar mit dem (vorgegebenen) Titel „Aromarebsorten im Aufwind – 100 Jahre Müller-Thurgau“ zu halten.

Mein kleines, recht bunt gemischtes Auditorium bestand aus acht weinverständigen Menschen, darunter drei Restaurantfachkräfte, eine Dame aus Angers an der Loire und zwei Herren aus China. Alle waren so interessiert und rege, dass ich meinen einführenden Vortrag wie beabsichtigt interaktiv gestalten konnte, bevor wir anschließend gemeinsam fünf Müller-Thurgaus aus Franken verkosteten.

Nach meinem Seminar nahm ich als Zuhörer noch an der von Sommelier Rüdiger Meyer moderierten Probe gereifter Silvaner teil und ging hinterher unter anderem mit ihm, Susanne Platzer von Culinarium Bavaricum und Astrid Zieglmeier von der IHK-Akademie München zum Abschluss eines erfolgreichen Messetages abendessen.

Meine Seminarunterlagen, die die Teilnehmer erhielten, bilden im Folgenden diesen Blogbeitrag:

Aromarebsorten – Definition und Eigenschaften

Aromarebsorten – auch als Bukettsorten bezeichnet – weisen ein besonders markantes, für sie typisches Aroma auf, das sich meist als blumig oder würzig beschreiben lässt. Allerdings ist die Bezeichnung Aroma- oder Bukettsorte kein streng wissenschaftlicher Begriff, so dass es keine eindeutigen oder allgemeingültigen Kriterien für die Definition gibt.

Die signifikanten Aromastoffe dieser Rebsorten sind teilweise bereits in den Beeren enthalten (Primäraromen) oder bilden sich bei der Weinbereitung (Sekundäraromen), insbesondere während oder nach der Gärung. Sie sind zwar nur in sehr geringen Mengen vorhanden, aber sehr geruchsintensiv und deshalb relativ leicht erkennbar. Chemisch handelt es sich vor allem um Terpene, Pyrazine und Thiole.

Terpene sind als Kohlenwasserstoffverbindungen der Hauptbestandteil ätherischer Öle und kommen auch in Eichenholz – besonders amerikanischer Herkunft – verstärkt vor. Von Terpenen geprägte Aromasorten sind die diversen Spielarten von Muskateller und Traminer (speziell Gewürztraminer), die sich durch einen charakteristischen Muskat- bzw. Rosenton auszeichnen.

Pyrazine – genauer: Methoxypyrazine – sind ätherische Öle mit einem erdigen, herb-grünen Aroma von Paprika, Gras oder Stachelbeeren. Sie sind in vielen Pflanzen enthalten und entstehen auch beim Erhitzen von Lebensmitteln (Röstnoten). Bei der Weinrebe kommen Pyrazine vor allem in den Beerenschalen und Blättern von Bacchus, Sauvignon Blanc, Scheurebe und Sémillon sowie Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Merlot vor. Es gibt verschiedene Pyrazin-Derivate, etwa IBMP (2-Isobutyl-3-Methoxypyrazin) und IPMP (2-Isopropyl-3-Methoxypyrazin), wobei IBMP zu den intensivsten Geruchsstoffen im Wein überhaupt zählt und an Paprika erinnert, während IPMP eher dem Aroma von gekochtem Spargel ähnelt.

Thiole – früher auch als Mercaptane bezeichnet – sind flüchtige Schwefelverbindungen, die vom Schwefelwasserstoff abstammen. Sie entstehen bei Abbau- und Fäulnisprozessen von organischem Material, etwa bei der Gärung des Traubenmosts. Zu finden sind sie vor allem in Milch, Käse, Zwiebeln und Knoblauch. Ihr intensiver, lauch- und krautartiger bis fauliger Geruch wird oft als ekelerregend empfunden. Bestimmte Thiole sind jedoch für die in diesem Fall positiven Cassis-, Limetten- und Grapefruitaromen im Wein verantwortlich. Dies trifft auf Rebsorten wie Bacchus, Sauvignon Blanc und Scheurebe zu.

Weitere Aromarebsorten außer den bereits genannten sind beispielsweise Bouvier, Huxelrebe, Kerner, Riesling, Siegerrebe, Silvaner, Würzer, und auch der Müller-Thurgau gehört dazu. Alle diese Sorten weisen ebenfalls höhere Anteile an Terpenen auf, was ihnen gewisse würzig-florale Noten verleiht.

Aromasorten in Franken

Insgesamt sind für das Weinbaugebiet Franken über 50 Rebsorten nachgewiesen. Die wesentlichen sind – in alphabetischer Reihenfolge –Bacchus, Kerner, Müller-Thurgau, Ortega, Rieslaner, Riesling, Scheurebe, Silvaner und Traminer als weiße Trauben sowie als rote Trauben Domina, Portugieser, Regent und Spätburgunder. Die Weißweinsorten machen dabei mehr als 80 Prozent der Anbaufläche aus.

Nachdem alle aufgezählten weißen Trauben als Bukettsorten gelten können, haben die Aromarebsorten in Franken einen erheblichen Stellenwert. Der Müller-Thurgau nimmt mit rund einem Drittel der gesamten Rebfläche mit Abstand die Spitzenposition ein, an zweiter Stelle folgt der Silvaner. Deutschlandweit hat der Müller-Thurgau nach dem Riesling die zweitgrößte Anbaufläche.

Müller-Thurgau – Geschichte und Charakter

Der Müller-Thurgau ist benannt nach seinem Züchter, dem Rebforscher Hermann Müller (1850-1927) aus dem Schweizer Kanton Thurgau, der ab 1882 an der Forschungsanstalt Geisenheim im Rheingau erste Kreuzungsversuche dazu unternahm. Über die Eltern der Sorte herrschten lange Zeit Zweifel, da Müller selbst nicht ganz sicher sagen konnte, aus welchen Reben sein „Sämling Nr. 58“ tatsächlich hervorgegangen war.

Ursprünglich galten Riesling und Silvaner als Elternreben des Müller-Thurgau, was erklärt, weshalb die Sorte auch die synonyme Bezeichnung Rivaner trägt. Inzwischen stehen jedoch Riesling als Mutter und Madeleine Royale (eine Kreuzung aus Pinot und Trollinger) als Vater des Müller-Thurgau fest.

Hermann Müller kehrte 1891 in die Schweiz zurück und schloss dort seine Forschungen ab. Der Bayerische Hofrat August Dern, der in Geisenheim mit Müller zusammengearbeitet hatte, holte dann 100 Reben der Neuzüchtung nach Deutschland zurück und gab ihr ihren heutigen Namen. Das war 1913, so dass der Müller-Thurgau in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiert.

Seit 1970 ist die Sorte für alle deutschen Anbaugebiete empfohlen und führte von 1975 bis 1995 den deutschen Rebsortenspiegel an. Mit einer globalen Rebfläche von heute rund 40.000 Hektar kann sie als die erfolgreichste Neuzüchtung der Welt gelten. Als Massenträger verlor die Rebe jedoch an Image, weil aus ihr oft minderwertige, banale Weine gekeltert wurden. Das ändert sich allerdings zusehends, da über Ertragsreduzierung, Lagenauswahl und Reifemanagement ein neues Qualitätsbewusstsein Einzug gehalten hat.

Müller-Thurgau bringt in der Regel leichte, frische und bekömmliche Weine hervor. Sie zeichnen sich durch einen floralen Duft mit Anklängen an Kräuter und Wiesenblumen, gelbfruchtige Aromen sowie eine zarte, an Muskat erinnernde Würze und eine moderate Säure aus.

Winzer schätzen die Rebsorte sowohl wegen ihrer Ertragssicherheit als auch wegen der konstanten Ergebnisse im Keller. Die etwas lockerbeerigen, mittelgroßen Trauben mit den gelblich-grünen ovalen Beeren reifen früh im Herbst und eignen sich damit auch für klimatisch weniger verwöhnte Lagen. Der Ausbau erfolgt meist in Edelstahltanks, um die Frische und den Sortenduft zu erhalten.

Gerade weniger versierten Weintrinkern sind Müller-Thurgau-Weine wegen ihres deutlich wahrnehmbaren Buketts und ihres milden Charakters zu empfehlen und lassen sich als vielfältige Speisenbegleiter einsetzen. Im Regelfall sind es unkomplizierte, süffige Alltagsweine mit begrenzter Lagerfähigkeit, die in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Ernte getrunken werden sollten. Es gibt jedoch auch langlebige edelsüße Qualitäten.

Müller-Thurgau aus Franken – Verkostung

Wie bereits erwähnt, ist Müller-Thurgau in Franken die am meisten angebaute Rebsorte. Sie wächst hier auf rund 1.800 Hektar. Die erste weinbergsmäßige Pflanzung erfolgte 1913 im fränkischen Sendelbach bei Lohr. Am Würzburger Schlossberg unterhalb der Festung Marienberg stehen noch heute alte Müller-Thurgau-Reben.

Folgende fünf Weine standen im Rahmen des Seminars zur Probe:

2011 Müller-Thurgau QbA trocken, Artur Steinmann, Sommerhausen
Der eher einfache, schlanke, gleichwohl typische Wein aus dem 30-Liter-Keg (Mehrwegfass) zeigte florale und leicht gewürzige Noten sowie Aromen von Kernobst und Melone und fiel mit seiner erfrischenden Kohlensäure auf. Die Seminarteilnehmer fanden einhellig, dass er sich am besten als Sommerwein für die Terrasse eigne und gar nichts zu essen brauche.

2011 MundART Müller-Thurgau Kabinett trocken, Geiger & Söhne, Thüngersheim
Der erste Eindruck von Grapefruit ging bald in Kernobst- und Kräuteraromen mit floralen Beitönen über, die in einen herb-würzigen Abgang mündeten. Die Teilnehmer wollten diesen süffigen Wein am liebsten zu Spargel ausprobieren.

2011 Iphöfer Kronsberg Müller-Thurgau Kabinett trocken, Ernst Popp, Iphofen
Kräuterwürze, Zitrusfrüchte, Kernobst, Melone und sogar etwas Banane prägten diesen sehr soliden Wein mit einem Hauch Muskat. Die Seminarteilnehmer konnten ihn sich sehr gut als Begleiter von Pilzgerichten mit Kräutern vorstellen.

2011 Franconia Müller-Thurgau Spätlese trocken, DIVINO Nordheim
Dieser erdig-mineralische Wein mit feiner Säure erinnerte an reife gelbe Früchte (Kernobst, Zitrus), Gewürze (Muskat, Kümmel) und Kräuter. Er war der erklärte Favorit der Teilnehmer und wurde von ihnen zu mild geräuchertem Fisch vorgeschlagen.

2000 Retzbacher Benediktusberg Müller-Thurgau Beerenauslese, Consilium Thüngersheim
Ein außergewöhnlicher, bernsteinfarbener Tropfen mit Aromen von Kräutern, Karamell, kandiertem Kernobst, Gewürzen und Honig sowie einer bemerkenswerten Säure. Die Teilnehmer waren ebenso beeindruckt wie ich selbst und empfahlen den Wein zu gereiftem Hartkäse oder Desserts mit Nüssen – oder als Aperitif.