„Zu Rindfleisch gehört Rotwein.“ Diese alte gastronomische (Schein-)Weisheit, die ich selbst noch gelernt habe, die aber inzwischen auch offiziell aufgeweicht wird, fand sich aufs Schönste widerlegt bei „Wine & Dine“ am 12. Juli in Herzogenaurauch: Im Hotel HerzogsPark wurden zu einem Fünf-Gänge-Menü ausschließlich Weißweine des Wein- und Sektguts Kirsten aus Klüsserath an der Mosel serviert, zwei pro Gang. Und das war ebenso lehr- wie genussreich.
Martina und Michael Bläser, die das Hotel HerzogsPark führen, sind Hoteliers aus Leidenschaft und Gastgeber im besten Sinne. Das Serviceniveau in diesem Haus übertrifft alles, was ich bisher in der Region Nürnberg-Erlangen-Fürth kennengelernt habe – vom Essigbrätlein mal abgesehen –, und die Küche von Marco Hollbauer und seinem Team ist exzellent. Vom Weingut Kirsten begleitete die Chefin Inge von Geldern den Abend, der bei angenehm sommerlichem Wetter auf der Hotelterrasse stattfand. Sie erklärte mit viel Charme und Sachverstand die ausgeschenkten Weine – und schon bald wurde klar, wie sinnhaft es ist, dass das Weingut in seinem Logo die Moselschleife abbildet, denn der geografische und geologische Ursprung der Weine, die Lagen und die Böden, spielen eine große Rolle.
Weine sind Ausdruck ihrer Herkunft
Schon beim Aperitif mit Riesling Sekt Brut 2009 (ganz leicht gereift, sehr fein und sowohl sorten- als auch herkunftstypisch) wurde über Terroir und die Handschrift des Winzers diskutiert. Kirsten bewirtschaftet rund 15 Hektar Weinberge, ausschließlich Steillagen in Süd- und Südwest-Ausrichtung, und baut Riesling, Weißburgunder, Spätburgunder sowie etwas Sauvignon Blanc an. Die Reben wachsen auf Schiefer, von dem Inge von Geldern zur Illustration sogar einige Stücke mitgebracht hatte. Das Weingut ist von der Gesellschaft für Ressourcenschutz biozertifiziert, aber nicht aus Marketinggründen, wie die Winzerin betont: „Wir haben irgendwann festgestellt, dass unsere Weine bei konventioneller Bewirtschaftung immer schlechter wurden, und da haben wir uns gesagt, wir müssen was ändern.“ So wurde der Betrieb vor einigen Jahren auf ökologischen Anbau umgestellt.
Der erste Gang des Menüs war eine Variation von Ochsenherz & Co., also alten Tomatensorten. Nun bin ich alles andere als ein Fan von rohen Tomaten, doch was hier in verschiedenen Texturen und höchst dekorativ auf den Teller kam, war ausgesprochen schmackhaft – und alle an unserem Tisch waren sich darin einig, dass der Spätburgunder Blanc de Noirs 2012 dieses Gericht vortrefflich und besser begleitete als der Weißburgunder trocken 2012, der ebenfalls zur Auswahl stand.
Riesling zu Geflügel und Fisch
Als zweiten Gang gab es pochiertes Stubenküken mit Zucchini, Paprika und Couscous, und dazu wurden zwei Rieslinge eingeschenkt: Riesling trocken 2011 und von Geldern Pur Riesling Spätlese trocken 2011. Der zweite Wein ist eher ein Zufallsprodukt, denn Bernhard Kirsten hatte diesen Riesling im Keller gewissermaßen übersehen, so dass er bis auf weniger als drei Gramm Restzucker ganz durchgärte. Seine Frau freute das, und sie fand das Ergebnis sehr überzeugend, doch Kirsten sagte, dieser Wein passe nicht in sein Konzept und er könne ihn nicht vermarkten. Nach einigen Diskussionen einigten sich die beiden darauf, dass der Riesling unter dem Namen von Geldern auf den Markt gebracht werden und wegen seiner kompromisslosen, straffen Art „Pur“ heißen solle. Bereits als Solist bereitete dieser klassisch trockene Wein großes Trinkvergnügen und zeigte Charakter, Mineralität und Spannung, doch auch zu dem Gericht passte er nach meinem Empfinden perfekt und empfahl sich als vielschichtiger kulinarischer Partner.
Danach wurden Seeteufel und Tatar vom Kaisergranat mit gebratenem Pfirsich und Erbsen aufgetischt – als Komposition allein schon zum Niederknien. Auch hier kamen zwei Rieslinge ins Glas: Herzstück Riesling Spätlese 2011 und Laurentiuslay Riesling Spätlese 2011; also ein Lagenvergleich. Das Herzstück (aus der Lage Klüsserather Bruderschaft) bewies für mich zu diesem komplexen Gericht mehr Souveränität, ging mit den intensiven, verwobenen Aromen spielerischer um und wirkte im Zusammenspiel runder als die (!) Laurentiuslay.
Reife und Holzwürze zu dunklem Fleisch
Auch der Hauptgang – Rücken vom Simmentaler Weiderind mit Pfifferlingen und gelben Bohnen sowie einer fantastischen Jus – sollte gemäß der Ankündigung von Weißweinen begleitet werden, und diese Aufgabe meisterten die zwei ausgewählten Gewächse vorbildlich, wenngleich sie denkbar unterschiedlich waren: Herzstück Riesling Spätlese 2009 und Weißburgunder trocken Barrique 2011. Ich vermochte mich für keinen der beiden Weine als den eindeutig besseren Partner zu diesem Gericht entscheiden, und das war vielleicht der größte Genuss: eine grandios zubereitete Speise mit zwei Weinen, die sie ebenbürtig bestens ergänzen, jeder auf seine Weise mit spezifischen aromatischen Akkorden, also drei Gefährten auf einem Niveau. Und: kein Rotwein! Ein gereifter und/oder im Holz ausgebauter Weißwein kommt mit dunklem Fleisch ebenso gut zurecht, sofern er genug Kraft und Substanz hat und präzise genug gearbeitet ist.
Den Abschluss des Menüs bildete eine Kombination von Himbeere, Sauerampfer und Ziegenquark, wobei alle drei Grundzutaten sich jeweils in zwei verschiedenen Texturen präsentierten. Hier war die Weinpräferenz wieder eindeutig: Die Pölicher Held Riesling Spätlese 2011 erwies sich gegenüber der Alte Reben Riesling Auslese 2011 als die deutlich bessere Begleitung des Desserts, das mit Süße, Säure und Salzigkeit spielte – was aber hauptsächlich daran lag, dass die Auslese komplett verschlossen war und kaum etwas von ihrer feinen Frucht und Mineralität preisgeben mochte; insofern ließ sie sich schwer wirklich beurteilen.
Der Mensch im Mittelpunkt
Nach dem köstlichen Menü und dem Besuch von Küchenchef Marco Hollbauer bei den Gästen übersiedelte eine kleine Gruppe noch in die äußerst gemütliche Hotelbar, in die Obhut eines der zuvorkommendsten Barkeeper, die ich je erlebt habe. Es gab weiterhin Kirsten-Wein (von Geldern Pur), indischen Whisky und angeregte Gespräche – und bevor er sich zu uns gesellte, setzte sich Hoteldirektor Michael Bläser noch zu einem Herrn am Nebentisch und plauderte mit diesem. Danach berichtete er, das sei der Busfahrer von Schalke 04 gewesen, der – ohne die Mannschaft – den tatsächlich vor dem Haus geparkten Bus von einem Einsatzort zum anderen überführe und im HerzogsPark Station mache. In Herzogenaurach, wo unter anderem Adidas und Puma ihren Sitz haben, sind oft Spitzensportler zu Gast, und das Hotel ist auch mit entsprechenden Fitness- und Wellnesseinrichtungen ausgestattet. Bläser lobte das Engagement des dreifachen Familienvaters, der so viel unterwegs sei, und es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, das Abendessen des Fahrers (Currywurst und Bier), der seinen Verzehr üblicherweise selbst zahlen müsse, auf Kosten des Hauses zu übernehmen. Wie gesagt: ein einfühlsamer, hingebungsvoller Gastgeber, dem die Menschen, die bei ihm einkehren, wichtig sind.
Ich kann „Wine & Dine“ im Hotel HerzogsPark in Herzogenaurach nur empfehlen: hochwertige Speisen und Weine, bereichernde Kontakte und Gespräche, dazu eine Nacht im ruhig gelegenen, sehr komfortablen Hotel und ein entspanntes Frühstück am nächsten Morgen – ein echter Wohlfühl-Aufenthalt für Genießer, und das übrigens auch noch zu äußerst reellen Preisen. Familie Bläser will die Weinmenü-Reihe in unregelmäßigen Abständen fortsetzen, und ich war sicher nicht das letzte Mal dabei.