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„Das“ ist in diesem Fall „das Event“: eine Verkostung in der schmucken Vinothek des Rheingauer VDP-Weinguts Balthasar Ress in der neuen Frankfurter Altstadt, organisiert von der Sommelier-Union Deutschland.

Auf Einladung von Sebastian Mac Lachlan Müller, Sprecher der Region Mitte, fanden an einem Donnerstag Nachmittag acht Mitglieder der SU die Zeit, sich von Marius Baumeister, Vertriebsrepräsentant des Weinguts, durch eine Probe von zehn Weinen führen zu lassen, die das gesamte Spektrum von Sekt über Weiß- und Naturwein bis Rotwein eindrucksvoll vermittelten. Die Auswahl war wirklich gelungen, und in seiner ebenso kurzweiligen wie kenntnisreichen Moderation stellte Marius nicht nur die Gewächse und das Haus vor, sondern ging auch auf weinbauliche und weinbaupolitische Themen ein.

Blick durch ein Weinglas von Balthasar RessBalthasar Ress, der das Familienweingut 1870 ins Leben rief, war ursprünglich Metzger und Gastwirt. Den Wein, den er in geringen Mengen selbst erzeugte und dann im eigenen Gasthof ausschenkte, nannte er ebenso simpel wie logisch „Von Unserm“, um ihn von den Weinen anderer Produzenten abzugrenzen – und bei dieser Bezeichnung für die Gutsweinqualität ist es bis heute geblieben. Inzwischen leitet in fünfter Generation Christian Ress den Betrieb in Hattenheim, zu dem auch eine (vom VDP-Weingut strikt getrennte) Kellerei und mehrere Weinbars im Rhein-Main-Gebiet gehören; außerdem gründete der ambitionierte Unternehmer das wineBANK-Franchise-System sowie zusammen mit Olivier Brun die Weinhandelsgruppe Veritable.

Das Weingut bewirtschaftet derzeit 44 Hektar Rebfläche, davon drei in Rheinhessen. Alle Weinberge werden ökologisch mit biodynamischen Elementen bewirtschaftet, ab dem Jahrgang 2019 sind die Weine biologisch zertifiziert. 90 Prozent der Rebfläche sind mit Riesling bestockt, darüber hinaus gibt es etwa acht Prozent Spätburgunder und rund zwei Prozent Weißburgunder. Im Keller gilt – wie Marius Baumeister es formulierte – die Devise „Nichts rein, nichts raus“: Den Weinen wird so wenig wie möglich zugesetzt und so wenig wie möglich entzogen; sie vergären ausschließlich spontan, und unter der Ägide von Dirk Würtz, der von 2011 bis 2018 Betriebsleiter war und das Weingut bereits ab 2009 beraten hatte, kam auch das Thema Naturweine auf die Agenda. Neben Stillweinen hat Ress knapp ein halbes Dutzend Winzersekte im Sortiment, die im ebenfalls in Hattenheim ansässigen VDP-Wein- und Sektgut Barth in traditioneller Flaschengärung hergestellt werden.

Mit einem dieser Sekte begannen wir auch unsere Verkostung:

Lampen spiegeln sich im Weißweinglas2015 Von Unserm Riesling brut

In der Nase Noten von Äpfeln, Pfirsichen, Aprikosen, Zitrusfrüchten und etwas Kräutern. Im Mund schlank, frisch und animierend mit Aromen von Zitrusfrüchten und Pfirsichen, präsenter, recht feiner Säure, lebendiger, eher grober Perlage und gutem Abgang.

Danach gingen wir zum Jahrgang 2017 – einem sehr herausfordernden Jahr, denn allein bei Ress richtete in der Nacht zum 1. August Hagelschlag auf 26 Hektar (also fast 60 Prozent der Rebfläche) schwere Schäden an. Man habe daraufhin innerhalb kürzester Zeit dank bewährter Verbindungen nach Rumänien eine massiv verstärkte Mannschaft an Weinbergsarbeitern organisieren können, um zu retten, was zu retten war. Die vom Hagel betroffenen Weinpartien seien separat ausgebaut worden, weil diese Trauben eine veränderte Phenolik hätten, und danach sei entschieden worden, was wie zu verwenden sei.

2017 Von Unserm Rheingau Riesling trocken

In der Nase recht dicht mit zuerst etwas rauchigen (reduktiven?) Tönen, dann Noten von Zitrusfrüchten, Aprikosen, Pfirsichen und Äpfeln. Im Mund recht tief, animierend und seidig mit Aromen von Zitrusfrüchten, Pfirsichen und Äpfeln, floralen und kräuterigen Anklängen, ausgeprägter Mineralität, feinem Schmelz, feiner Säure und gutem Abgang – Trinkfluss und Anspruch zugleich.

2017 Rüdesheimer Rheingau Riesling trocken

In der Nase zuerst reduktive Töne, dann Noten von Zitrusfrüchten, Äpfeln und Pfirsichen sowie zarte holzige und rauchige Würze. Im Mund recht schlank und straff mit Aromen von Zitrusfrüchten, Pfirsichen und Äpfeln, präsenter Säure, Mineralität und gutem Abgang mit Zug.

2017 Hattenheimer Wisselbrunnen Riesling Grosses Gewächs trocken, Balthasar RessDer nächste Wein führte uns zur VDP-Klassifikation, die demnächst wohl erweitert werden soll. Diskutiert wird die Rolle der Ersten Lagen: Künftig soll der trockene Wein aus einer VDP-klassifizierten Ersten Lage „VDP.Erstes Gewächs“ heißen, und es soll auch eigene Ortsweine aus Ersten Lagen geben. Zu diesen Ideen gibt es im Verband geteilte Meinungen, denn sie haben natürlich juristische, wirtschaftliche und auch politische Implikationen; in Hessen beispielsweise ist „Erstes Gewächs“ ein auf Landesebene weingesetzlich definierter Begriff, den alle Winzer nutzen dürfen. Meiner Ansicht nach treibt der VDP mit diesen Vorhaben seine auf die Traubenherkunft gerichtete Qualitätsmaxime weiter voran, und ich kann die Überlegungen dahinter nachvollziehen. Die Weinbezeichnungen werden dadurch jedoch keinesfalls kundenfreundlicher; damit positioniert sich der VDP noch konsequenter auf der Seite der weinbergsbezogenen und weniger der konsumentenbezogenen Qualitäts- und Vermarktungskriterien.

2016 Hattenheimer Engelmannsberg Riesling VDP.Erste Lage trocken

In der Nase ein Hauch Petrol sowie Noten von Zitrusfrüchten, Aprikosen, Pfirsichen und Kräutern. Im Mund straff, fest, zupackend und dicht sowie zugleich animierend mit Aromen von Zitrusfrüchten, Aprikosen, Pfirsichen und Apfelschalen, präsenter Säure und gutem bis sehr gutem Abgang.

Anschließend folgten zwei Große Gewächse:

2017 Hattenheimer Wisselbrunnen Riesling VDP.Grosse Lage trocken

In der Nase noch verschlossen mit Noten von Kräutern, Zitrusfrüchten und etwas Pfirsichen und Aprikosen. Im Mund recht opulent und dicht mit gewisser Kraft, Aromen von Aprikosen, Pfirsichen und Zitrusfrüchten, animierender Säure, Mineralität und sehr gutem Abgang mit Zug und Spiel; noch sehr jung mit viel Potenzial und langem Nachhall.

2015 Rüdesheimer Berg Rottland Riesling VDP.Grosse Lage trocken

In der Nase Noten von Aprikosen, Pfirsichen und Kräutern sowie rauchige und röstig-nussige Anklänge. Im Mund fein, opulent und vollfruchtig mit Noten von Pfirsichen, Aprikosen, Orangen und Mandarinen, floralen Tönen, präsenter, feiner Säure, im Hintergrund Mineralität, feinem Grip und sehr gutem Abgang mit Saft und Zug; sehr animierend und komplex, vollmundig und nachhaltig mit langem Nachklang.

2015 Rüdesheimer Berg Rottland Riesling Grosses Gewächs trocken, Balthasar RessDieser Wein beendete seine Gärung erst im Dezember 2016. Dass die Gärung im Winter, wenn es im Keller entsprechend kalt ist, unterbrochen wird, kommt Marius zufolge durchaus vor. In solchen Fällen werde im Frühjahr ein Grablicht unter den betreffenden Tank gestellt, um die Gärung dann wieder anzustoßen – das reiche aus. Beim 2015er Berg Rottland GG dauerte sie schließlich 16 Monate; der Wein wurde nicht filtriert, nicht geschönt und kaum geschwefelt. Zum Ausschank kam er hier in der Magnumflassche.

Der nächste, ebenfalls ziemlich spezielle Riesling wird seit 2009 jedes Jahr aus hochreifen, gesunden (also nicht von Botrytis befallenen) Trauben gekeltert, die aus Großen Lagen in Rüdesheim (Berg Schlossberg, Berg Rottland) und manchmal auch Oestrich (Doosberg) stammen. Er reift 16 Monate auf der Vollhefe und wird unfiltriert, ungeschönt und ungeschwefelt abgefüllt:

2014 RESSpekt Rheingau Riesling trocken

In der Nase dicht mit Noten von Kräutern und Äpfeln, Anklängen an Zitrusfrüchte und Pfirsiche sowie erdigen Tönen. Im Mund vollmundig mit Aromen von Aprikosen, Pfirsichen und Kräutern, gewissem Schmelz, harmonischer, relativ präsenter Säure und gutem Abgang.

2016 Caviar Rheingau Pinot Noir trocken, Balthasar RessDer Schlüssel zur Weinqualität ist laut Marius die Ruhe: sowohl dem Wein Ruhe zu geben als auch selbst die Ruhe zu bewahren, wenn ein Wein (scheinbar, zeitweise) „in die falsche Richtung läuft“. Das wird auch beim Jahrgang 2018 wichtig sein, der in bestimmten Medien ja schon als „sensationell“ und „rekordverdächtig“ propagiert wird. Im Keller jedoch stelle er eine Herausforderung hinsichtlich Mikrobiologie und Stabilität dar, so Marius: Der lange, heiße Sommer 2018 habe die Reben ausgelaugt; die Weine hätten zwar viel Frucht und Alkohol, aber auch eine deutlich wahrnehmbare Säure, da der Anteil an Zitronensäure in diesem Jahr besonders hoch sei. Sie bräuchten daher Zeit, um sich zu harmonisieren – und die werden sie bei Ress bekommen.

Marius berichtete auch vom „hausinternen Elchtest“: Um die Stabilität der Weine zu prüfen, würden mitunter einige Flaschen zu Versuchszwecken mutwillig strapaziert (z.B. im Hochsommer im Auto spazieren gefahren).

Der darauf folgende Wein war der letzte weiße der Probe und wiederum etwas Spezielles – 32 Monate auf der Vollhefe (daher der Name) ausgebaut, Trauben aus dem Hattenheimer Engelmannsberg:

2014 32 Rheingau Riesling trocken

In der Nase sehr dicht mit rauchigen, an Feuerstein erinnernden Tönen, Noten von Zitrusfrüchten, Pfirsichen und Aprikosen sowie Anklängen an Petrol und Kräuter. Im Mund schlank und recht kompakt mit Aromen von Zitrusfrüchten und grünen Äpfeln, sehr präsenter Säure, pflanzlichen Tönen, Mineralität und gutem bis sehr gutem Abgang – dabei viel Trinkfluss.

Den Abschluss bildeten zwei Rotweine – zweimal Spätburgunder in vorbildlicher Typizität:

2016 Von Unserm Rheingau Pinot Noir trocken

In der Nase Noten von roten und schwarzen Beeren, Kräutern und Gewürzen sowie erdige und holzige Anklänge. Im Mund geschliffen und kühl mit Aromen von roten Früchten, feiner Säure, feinem Tannin und gutem Abgang.

Lampen spiegeln sich im Rotweinglas2016 Caviar Rheingau Pinot Noir trocken

In der Nase dicht mit rauchigen und röstigen Tönen, klarer Beeren- und Kirschfrucht sowie Noten von Nüssen, teilweise getrockneten Kräutern und Gewürzen. Im Mund kühl, dicht, geschliffen und saftig mit Aromen von Kirschen und Beeren, Kräuterwürze, Mineralität, feiner Säure, feinem Tannin und sehr gutem Abgang; sehr fein mit wohldosierter Kraft.

Der Caviar entsteht im Weinberg wie im Keller komplett in Handarbeit – und kann sich mühelos in jeder Burgunder-Blindprobe behaupten.

Meine Favoriten an diesem Nachmittag waren:

  1. 2015 Berg Rottland Riesling Grosses Gewächs trocken
  2. 2016 Caviar Pinot Noir trocken
  3. 2017 Wisselbrunnen Riesling Grosses Gewächs trocken
  4. 2014 32 Riesling trocken
  5. 2017 Von Unserm Riesling trocken

Für diese bereichernde Verkostungserfahrung danke ich Moderator Marius Baumeister und Organisator Sebastian Mac Lachlan Müller ebenso wie Vinothek-Gastgeber Dave Müller, der mit professionellem und humorvollem Service die optimale „Infrastruktur“ für die Veranstaltung schuf.