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Unter der Rubrik „Hochgeistiges“ veröffentliche ich seit Januar 2012 in jeder Ausgabe des Magazins eigentümlich frei eine Kolumne, in der ich jeweils eine Spirituose vorstelle. Die gesammelten Kolumnen des vergangenen Jahres habe ich nachfolgend hier im Blog zusammengestellt.

Laphroaig 10 years

Ein Freund für alle Fälle

ef 119 – Januar/Februar 2012

Ich lernte Laphroaig in einer Bar in München kennen. Damals hatte ich noch kaum Kontakt mit Whisky gehabt, und was mich an diesem faszinierte, war zunächst der Name: diese ungewöhnliche Buchstabenfolge mit ph und drei aufeinanderfolgenden Vokalen. Dabei ist die Lautfolge von Laphroaig (sprich: la-froyg), verglichen mit anderen Scotch Whiskys, noch eher einfach und sogar anhand des Schriftbildes nachvollziehbar. Ich wusste also gar nicht, worauf ich mich einließ, als ich neugierig den zehn Jahre gereiften Islay Single Malt bestellte.

Die Insel Islay (sprich: aila) liegt im Atlantik vor der Nordwestküste Schottlands und bringt ganz eigene Whiskys hervor, die polarisieren: Die Destillate sind scharf und rau wie ihre sturm- und meerumtoste Heimat – entweder man schwört auf sie oder man verabscheut sie. Ich bin seit jener ersten Begegnung in München überzeugter und leidenschaftlicher Islay-Liebhaber. Wobei der Laphroaig 10 years noch einer der gemäßigten Vertreter seiner Art ist. Doch genau das macht ihn zum perfekten Einstieg für Islay-Interessierte: Wer den Laphroaig mag, wird auch andere, stärkere ausprobieren, wer den Laphroaig nicht mag, bleibt wahrscheinlich auf dem Festland.

Ich habe im zehnjährigen Laphroaig einen Freund gefunden, dem ich glücklicherweise oft begegnen kann, denn er ist auch in der Gastronomie weit verbreitet. Es ist angenehm vertraut und doch immer wieder spannend, wenn er mit herben Rauch- und Röstnoten, würzigem Torfaroma und medizinalen Jodtönen von seiner Herkunft erzählt. Was ihn ausmacht, ist die Spur Süße im Hintergrund, die an Karamell und Nüsse erinnert und vom Gerstenmalz kommt.

Der Name Laphroaig bedeutet übrigens „Schöne Senke an der weißen Bucht“. Die Brennerei wurde 1815 gegründet und ist seit 1994 Hoflieferant des Prince of Wales. Einige der Lagerhäuser liegen direkt am Meer und werden bei hohem Wellengang vom Wasser umspült. Mehr Authentizität geht wohl kaum.

In diesem Sinne: Slainte mhath!

Calvados Michel Huard 1983

Entdeckung im Verborgenen

ef 121 – April 2012

In der Normandie ist Calvados naturgemäß auf jeder Digestifkarte vertreten. Bemerkenswert fanden wir jedoch, dass wir in unserem Urlaub an zwei aufeinander folgenden Abenden in zwei unterschiedlichen Restaurants auf die Destillate desselben uns völlig unbekannten Produzenten trafen. Die Brände waren in ihrer Qualität äußerst überzeugend – besonders der Calvados aus dem Jahr 1983 hatte es mir angetan –, und so beschlossen wir, dem Destillateur am nächsten Tag einen Besuch abzustatten. Sein Name: Michel Huard.

Allerdings hatten wir – mangels Navigationssystem – nicht mehr als die Angaben auf dem Flaschenetikett: Le Pertyer, Caligny, 61100 Flers. Im Tourismusbüro von Flers besorgten wir uns eine Detailkarte der Region (Département Orne, Basse-Normandie) und kamen über mehrere baustellenbedingte Umleitungen nach Caligny. Den Weg nach Le Pertyer fanden wir jedoch nur dank hilfreicher Menschen in einer Bäckerei und stellten während der Fahrt fest, dass es mindestens drei verschiedene Schreibweisen des Dorfnamens gibt: Le Pertyer, Le Pertiyer, Le Pertiller... Im Dorf angekommen, zeigte uns schließlich der Postbote des Haus der Familie Huard, da es keinerlei Hinweisschild gab.

Inzwischen war es Mittag geworden, doch der Juniorchef Jean-François Guillouet-Huard verzichtete kurzerhand aufs Essen und stellte uns stattdessen mit Freude seine Brände vor. Nach ausgiebiger Verkostung führte er uns auch noch durch die Produktionsräume und die Obstgärten, und sogar Großvater Michel Huard begrüßte uns persönlich. Einen so herzlichen und unprätentiösen Empfang von spontanen Besuchern habe ich selten irgendwo erlebt.

Und wie ist nun der Calvados 1983? Er ist fein, weich und rund, mit Noten von kandierten Äpfeln, Karamell, Malz und Tabak; verführerisch und meisterhaft. Mittlerweile darf er wohl als Rarität gelten; leichter erhältlich sind der Calvados 1992 und der Calvados Hors d‘Âge – und beide bestätigen aufs Beste das handwerkliche Können und den Qualitätsanspruch der Destillerie Huard.

Tariquet Folle Blanche 15 years

Der Whisky unter den Armagnacs

ef 122 – Mai 2012

Schon seit mehreren Jahren bin ich großer Armagnac-Liebhaber. Ich mag die runden, weichen, gerne Jahrzehnte alten Brände aus der Gascogne mit ihren Aromen von Dörrpflaumen, kandierten Orangen und Vanille. Sie werden in der Regel aus Weinen destilliert, für die mindestens die drei weißen Rebsorten Ugni Blanc (Trebbiano), Colombard und Folle Blanche verwendet werden. Insgesamt sind zehn Traubensorten zur Armagnac-Produktion zugelassen. Nach dem Brennen – im Gegensatz zum zweistufigen Brennverfahren beim Cognac in einem einzigen Durchgang – lagert der Weinbrand mehrere Jahre in Eichenholzfässern, die ihm seine charakteristische Farbe und Aromatik verleihen.

Eine Besonderheit stellen Armagnacs dar, die aus einer einzigen Rebsorte erzeugt worden sind. Ein solches Exemplar ist der 15 Jahre gereifte Bas-Armagnac aus Folle Blanche von Château du Tariquet, zumal aus Trauben eines Jahrgangs. Folle Blanche (wörtlich übersetzt: die „verrückte Weiße“) ist sehr klima- und krankheitsempfindlich und stammt auch originär aus Südfrankreich, wo sie nicht nur in die Armagnac-, sondern auch in die Cognac-Grundweine eingeht, denn dank ihrer hohen Säure eignet sie sich besonders gut zur Destillation. Tariquet zählt mit zehn Millionen Flaschen pro Jahr zu den größten Wein- und Spirituosenproduzenten Frankreichs, gewährleistet aber trotz der riesigen Volumina eine herausragende Qualität.

Der 15-jährige Folle Blanche gehört zu Tariquets modern ausgestatteter „Color Collection“. Er wird mit dem Original-Alkoholgehalt von 46,8 Volumenprozent abgefüllt und erinnert beinahe eher an Whisky als an Armagnac. In die Nase steigt der Duft von kandierten Nüssen und getrockneten Zitrusfrüchten sowie Vanille, Gewürznelken und Getreide. Auf der Zunge entfalten sich Aromen von kandierten, teilweise getrockneten Orangen und eingemachtem Kernobst, dazu zart röstige, rauchige Holznoten und Malz. Die Finesse bezaubert, doch auch der Alkohol macht sich wärmend bemerkbar. Ein Weinbrand für Kenner!

Blue Gin Vintage 2006

Alpenrepublik statt British Empire

ef 123 – Juni 2012

Gin kommt aus England. Dachte ich zumindest, bis ein Freund mir Blue Gin vorstellte. Der kommt nicht von den britischen Inseln, sondern aus Österreich. Kreiert hat ihn der Meisterbrenner Hans Reisetbauer, und er soll fünf Jahre an diesem Destillat getüftelt haben, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war. Gelohnt hat es sich jedenfalls.

Blue Gin wird zunächst aus der in Oberösterreich angebauten Weizensorte Mulan in kleinen Kupferblasen besonders schonend zweifach gebrannt. In dem Getreidealkohol werden dann ausgewählte Gewürze aus mehr als zehn Ländern mazeriert, darunter Wacholderbeeren, Angelikawurz, Koriandersamen, Kurkuma, Süßholzwurzeln und Zitronenzesten. Die Wacholderbeeren stammen jeweils aus der Ernte eines Jahres, so dass Blue Gin eine Jahrgangsangabe trägt. Wacholder ist übrigens auch namensgebend für das Getränk, angelehnt an seine botanische Bezeichnung „Juniperus“. Das Quellwasser, mit dem der hochprozentige Brand schließlich auf Trinkstärke herabgesetzt wird, stammt von einer Alm wiederum aus Oberösterreich.

Mit 43 Volumenprozent hat Blue Gin eine etwas höhere Alkoholgradation als üblich, doch Alkohol ist Aromenträger, und die sorgfältige Herstellung riecht und schmeckt man: Blue Gin Vintage 2006 ist betörend klar, reintönig und einfach „very Gin“. In der Nase finden sich Wacholder (logisch), Pfeffer, etwas Bergamotte sowie Kräuter und Gewürze (siehe oben). Auf der Zunge dominiert ebenfalls Wacholder, dazu gesellen sich Anklänge an kandierte Zitrusfrüchte, schwarzer Pfeffer, Kräuter und eine typische leichte Bitternote. Abgesehen von seiner Reinheit und Vielschichtigkeit hat mich der Blue Gin Vintage 2006 durch seine Länge begeistert.

Als aktueller Jahrgang ist in Deutschland inzwischen bereits Vintage 2009 im Handel, in Österreich sogar schon Vintage 2010. Blue Gin wird als hochwertiger Partner für Longdrinks oder Cocktails empfohlen, doch für mich eignet er sich mindestens ebenso gut pur als edler Digestif. Das kann nicht jeder Wacholderbrand!

Ardbeg Uigeadail

Geheimnis im Glas

ef 124 – Juli 2012

An ihm kommt man nicht vorbei. Ich war etwas leichtfertig, als ich mich erstmals auf ihn einließ – und wurde vollkommen überwältigt. Erst zieht er einen mit seinem noblen, dunklen Flaschenetikett und seinem rätselhaft anmutenden Namen in seinen Bann, und wer ihn einmal probiert hat, den lässt er nicht mehr los: Ardbeg Uigeadail.

Ardbeg ist die östlichste Whiskybrennerei an der Südküste der schottischen Insel Islay. Der Name der Destillerie bedeutet „kleine Anhöhe“, und sie hat ihren Ursprung Ende des 18. Jahrhunderts. Nach mehreren Eigentümer- und Betreiberwechseln sowie einigen Phasen der Stilllegung ist die heutige Ardbeg Distillery seit 1997 in Betrieb und gehört seit 2004 zum LVMH-Konzern.

Der Uigeadail ist ein Blend von Whiskys, die in ehemaligen Sherry- und Bourbonfässern gereift sind, was ihm eine außergewöhnliche Aromatik verleiht. Er trägt den Namen von Loch Uigeadail – der Quelle, aus der das torfhaltige Wasser stammt, das zu seiner Herstellung verwendet wird. Dieses Wort bedeutet „mystischer Ort“ und wird „uh-ge-dahl“ ausgesprochen. Weitere aromatische Komponenten sind der besonders hohe Phenolgehalt, den das Malz bei Ardbeg hat, und der Alkoholgehalt von 54,2 Volumenprozent.

Schon in der Nase betört der Uigeadail mit intensivem Raucharoma, dazu Noten von kandierten und getrockneten Früchten, Jod und Torf – ein kraftvoller, authentischer Islay-Typ. Doch das sind nur die Vorboten einer buchstäblich atemberaubenden Komplexität, denn auf der Zunge bricht dann eine niederzwingende Naturgewalt los, die eindrucksvoll die Herkunft des Insel-Destillats vorführt: Aromen von Jod, Torf und Trockenfrüchten, süßliche Malzwürze, Rauch- und Röstnoten sowie auch deutliche Alkoholschärfe werden immer wieder ineinander- und emporgeschleudert wie in einem Sturm, der das Meer an die raue Felsenküste peitscht. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis dieses sensorische Gewitter nachlässt. Ja, dieser Whisky ist wahrhaft unausweichlich – und ein exzellenter Zigarrenpartner!

Fighting Spirit Blue Rhum

Edelbrand von den Antillen

ef 125 – August/September 2012

Kolonialismus heißt wohl heutzutage, von Europa aus auch in Übersee kontrollierte Herkunftsbezeichnungen zu unterhalten. Die AOC (Appellation d‘Origine Contrôlée) Martinique auf der gleichnamigen Karibikinsel ist die einzige AOC außerhalb Frankreichs und wurde im Jahr 1996 etabliert, nachdem die örtlichen Rum-Produzenten 20 Jahre dafür gekämpft hatten, ihre Erzeugnisse zu schützen. Martinique ist als Département ein vollständig integrierter Teil des französischen Staates und gehört damit sogar zur Europäischen Union.

Einer der Rums, die die AOC Martinique tragen, ist der Fighting Spirit Blue Rhum von Chantal Comte. Hergestellt wird er von der Distillerie du Simon, die Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Die Familie Comte, die sich vor rund 50 Jahren auf Martinique niederließ, ist als unabhängiger Abfüller von Spitzenqualitäten bekannt.

So wird der Fighting Spirit Blue auch nicht aus Melasse, sondern aus frischem Zuckerrohrsaft gebrannt. In der Nase zeigt er vegetabile, auffällig an gekochte Karotten erinnernde Aromen, dazu Noten von Zuckerrohr und Litschi sowie leicht medizinale Töne. Man merkt bereits die 50 Volumenprozent dieses Destillats. Auf der Zunge präsentiert sich der Rum sehr komplex mit Aromen von Kräutern und Gewürzen, Anklängen an Wacholder und Pfeffer, dazu Noten von Zuckerrohr und salzigem Karamell sowie floralen Tönen. Der süßliche Schmelz, der ihn auszeichnet, rührt teilweise auch vom Alkohol her.

Diesen außergewöhnlichen Brand empfehle ich unbedingt pur zu genießen, vorzugsweise als Digestif. Ein besonderer Genuss ist jedoch auch, in die noch warme Tasse eines unmittelbar zuvor getrunkenen sehr feinen Espressos etwas Rum zu geben und dann zu riechen und zu schmecken: Die pflanzlichen Aromen treten nun stärker hervor, Kernobstnoten von Äpfeln und Birnen stellen sich ein, danach ist nur mehr Zuckerrohr. Und nach dem Schlucken bleibt der Fighting Spirit Blue nachhaltig und mit herber Würze im Hintergrund am Gaumen haften. Animierend!

Henri Geffard Vieille Réserve

Feinster Cognac aus erster Lage

ef 126 – Oktober 2012

Es war im Urlaub in der Charente. Nach einem erstklassigen Abendessen auf der Terrasse unseres Hotels wurde mir als Digestif ein Très Vieux Cognac von einem mir bis dato unbekannten Produzenten namens Henri Geffard empfohlen. Dieser feine Brand gefiel mir sehr – und nachdem ich dies kundgetan hatte, deutete der Service auf den Nebentisch und verriet mir, dass dort zufällig Mme Geffard persönlich sitze, so dass ich mein Lob sogar direkt an die Eigentümerin des Cognac-Hauses weitergeben konnte.

Szenenwechsel: Jahre später in Frankfurt. Bei einem Besuch in meiner Haus- und Hof-Weinhandlung bemerkte ich auf einer Flasche die markanten Initialen „GH“. Wahrhaftig, meine Urlaubsentdeckung hatte Einzug in meine Heimatstadt gehalten! Und so lernte ich den Grande Champagne AOC Premier Cru du Cognac Vieille Réserve aus dem Hause Geffard kennen. Die Bezeichnung „Champagne“ soll hier nicht verwirren: Grande Champagne heißt das beste Herkunftsgebiet für die Grundweine, aus denen Cognac hergestellt wird; daher auch Premier Cru.

Henri Geffard bewirtschaftet rund 25 Hektar Reben in besten Lagen, die ausschließlich mit der Sorte Ugni Blanc bestockt sind. Der Cognac entsteht – wie gesetzlich vorgeschrieben – in zwei Brennvorgängen und reift anschließend in Limousin-Eichenfässern. Das Attribut „Vieille Réserve“ besagt, dass der jüngste Brand im Jahrgangsverschnitt mindestens sechs Jahre alt sein muss.

Die Vieille Réserve von Geffard begeistert mit ihrer Finesse, ihrer Komplexität und ihrer Länge. In der Nase dominieren Trockenfrüchte wie Pflaumen, Äpfel und Rosinen, dazu kommen getrocknete und kandierte Orangen, Tabak und rauchige Holznoten. Im Mund hat der Weinbrand viel Karamell, wieder kandierte und getrocknete Orangen, Tabak und Gewürze (Nelke, Lorbeer, Vanille), er ist zart rauchig und auch etwas medizinal. Das Mundgefühl: sehr fein, warm, weich und beeindruckend lang. Man sollte sich Zeit für ihn nehmen – dann stellt sich zum Dank ein äußerst angenehmer Entschleunigungseffekt ein.

Dresdner Obstwasser Quitte

Von königlichen Wiesen

ef 127 – November 2012

Was haben der sächsische König August der Starke und die heutige Stadt Istanbul mit einer augenscheinlichen Zwitterfrucht zu tun? So könnte man sich fragen, wenn man dem „Dresdner Obstwasser Konstantinopeler Apfelquitte“ der Brennerei Augustus Rex zum ersten Mal begegnet. Mir ging es ähnlich.

Also, der Reihe nach: Die „Erste Dresdner Spezialitätenbrennerei“ besteht seit 2001 und trägt den lateinischen Namen von König August dem Starken von Sachsen: Augustus Rex. „Er hat den Obstanbau in Sachsen nachhaltig beeinflusst und gefördert. Ohne ihn gäbe es die vielen alten Streuobstwiesen rund um Dresden nicht, die mit ihren längst vergessenen Obstsorten heute die Grundlage für unsere sortenreinen Destillate bilden“, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens.

Eines dieser Destillate ist das Dresdner Obstwasser von der Konstantinopeler Apfelquitte. Die heißt so, weil sie aus Griechenland stammt – die antike Stadt Konstantinopel (heute eben Istanbul) war ursprünglich griechisch – und äußerlich an einen Apfel erinnert. Sie kann bis zu knapp neun Zentimeter groß werden, ist unregelmäßig geformt und hat eine hellgelbe, grünlich schimmernde Schale; das Fleisch ist weißgelb und schmeckt herb. In der Antike und im Mittelalter wurde die Quitte nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Heilmittel verwendet. Auf Portugiesisch heißt sie „marmelo“ und ist somit Namensgeber für die Marmelade, deren Bezeichnung auf „mermelada“ (span.) bzw. „mermelata“ (grch.) für Quittenmus zurückgeht.

In der Brennerei Augustus Rex nun werden die sorgfältig selektierten Früchte eingemaischt und lagern dann zwecks Gärung sechs Wochen in Fässern; danach wird destilliert. Heraus kommt ein Obstbrand mit 40 Volumenprozent Alkohol, der feinherb nach reifen Quitten, aber auch Birnen und Äpfeln sowie ein wenig Heu und Kräutern duftet. Im Geschmack ist er kernig mit feiner, herber, zart kräuteriger Würze und zeigt ein intensives, reintöniges Quittenaroma; das Mundgefühl ist weich, mild und sehr lang.

Old Pulteney 1994

Sauternes Wood Finish

ef 128 – Dezember 2012

Pulteney ist die nördlichste Whisky-Brennerei auf dem schottischen Festland. Sie liegt in den Highlands, in der Hafenstadt Wick an der Nordostküste. Die Destillerie trägt – ebenso wie der Stadtteil, in dem sie liegt – den Namen eines früheren Direktors der britischen Fischereigesellschaft und wurde 1826 gegründet. Seit 1995 gehört sie zum Spirituosenkonzern Inver House Distillers, und die Marke Old Pulteney umfasst mehrere Single Malt Scotch Whiskys.

Rund 1.600 Kilometer südlich von Wick liegt das französische Weinbaugebiet Sauternes, das für seine edelsüßen Weißweine bekannt ist. Diese werden aus den Rebsorten Sémillon, Sauvignon Blanc und Muscadelle gekeltert, wobei der Edelpilz Botrytis cinerea, der die Trauben befällt, für eine Konzentration des Zuckers in den Beeren sorgt. Daher zeichnen sich die Weine durch einen üppigen Duft nach Aprikosen, Honig und kandierten Nüssen sowie einen intensiven, süßen Geschmack aus. Vielfach reifen sie in Eichenholzfässern, was ihnen eine zusätzliche Würze verleiht.

Der unabhängige Whisky-Abfüller Gordon & MacPhail in Elgin – ebenfalls im Nordosten Schottlands – hat in einem Destillat aus seiner Private Collection gewissermaßen die Rauheit des Küstenwhiskys mit der Wärme des Süßweins gezähmt: im Old Pulteney 1994 Sauternes Wood Finish. Gebrannt wurde dieser Whisky im Oktober 1994, abgefüllt im Mai 2007, nachdem er seine letzte Reifezeit in ausgedienten Sauternes-Fässern verbringen durfte. Mit nur 2.050 produzierten Flaschen darf er als Rarität gelten.

Den betörenden Duft prägen Rauch, getrocknete Pflaumen und Orangen, Rosinen, Tabak, etwas Vanille sowie Anklänge an Blüten. Auch auf der Zunge finden sich Tabak, getrocknete Pflaumen und kandierte Orangen, dazu Röstnoten, etwas Kaffee und Malz, florale Aromen, Honig und Nelken. Ein ausgesprochen komplexer, ausdrucksstarker und „befriedender“ Whisky mit – trotz 45 Volumenprozent Alkohol – weichem, rundem, sehr mildem und sehr langem Mundgefühl sowie einem süßlich-gewürzigen Nachhall.