Wer der Frage nachgehen will, was die Welt (an Weinen ver-)kostet, besucht die ProWein in Düsseldorf. Vom 18. bis 20. März fand die internationale Leitmesse für Wein und Spirituosen in diesem Jahr statt, und ich verbrachte wieder einmal drei interessante, genussvolle und gesellige Tage dort mit spannenden sensorischen Eindrücken, bereichernden Gesprächen und äußerst angenehmer Stimmung.
Wie jedes Jahr hatte ich mir eine Liste von Weingütern vorbereitet, die ich besuchen wollte, und auch einige Termine vereinbart. Zwar musste ich den Plan für jeden Messetag jeweils wieder aktualisieren, doch insgesamt kam ich mit fast allem, was ich mir vorgenommen hatte, durch – und ich war wieder mit einem deutlichen Schwerpunkt in Frankreich unterwegs, was im vergangenen Jahr erstmals nicht der Fall gewesen war. Davon abgesehen führte mich meine Verkostungsreise dieses Jahr von Deutschland und Österreich über Spanien und Israel bis nach Uruguay und Neuseeland.
An den drei Tagen traf ich auch Freunde, Kollegen, Kooperationspartner und Auftraggeber wie Christine Schloter vom Weinkönner Tasting Store in Leipzig, Präsident Peer F. Holm und Vizepräsidentin Nicole Retter von der Sommelier-Union Deutschland, Dr. Eckhard Supp vom Magazin enos, Julia Opländer von der Deutschen Hotelakademie, Meike Frers und Kirstin Laser von ff∙k Public Relations, Alexander Schreck von den WeinKommunikatoren, Susanne Platzer von Culinarium Bavaricum, Journalist und Autor Uwe Kauss sowie die PR-Spezialisten Emily Albers und David Ecobichon.
Einstimmung in Frankfurt
Die Einstimmung war in diesem Jahr menschlich wie weinbezogen besonders gelungen und fand noch in Frankfurt statt: Bernd Klingenbrunn und Armin Busch von K&M Gutsweine hatten in ihrer Weinhandlung im Nordend am Samstag vor der ProWein (d.h. am 17. März) nachmittags Lukas Plöckinger vom Weingut Erwin Tinhof am Leithaberg im österreichischen Burgenland zu Gast, der acht ausgewählte Gewächse präsentierte: die drei Neuburger der Qualitätsstufen Eisenstadt (2016), Leithaberg DAC (2016) und Golden Erd (2015), die beiden Basisweine Rosé und Noir (beide 2016) sowie die drei Blaufränkisch der Qualitätsstufen Eisenstadt (2015), Leithaberg DAC (2013) und Gloriette (2015).
Meine Favoriten bei der Verkostung waren:
- 2016 Neuburger Leithaberg DAC
animierend, nachhaltig und sehr ausgewogen mit zarter Holzwürze, saftiger gelber Frucht und feinem Schmelz, geradlinig und kompakt – ein fantastisches Trinkvergnügen momentan - 2013 Blaufränkisch Leithaberg DAC
tief, kühl, saftig, fein und sehr rund mit Aromen von dunkle Früchten, Kräutern, Gewürzen und roten Beeren, sehr feinem Tannin, zartem Biss und erdig-mineralischen Anklängen – auch hier große Trinkfreude - 2015 Blaufränkisch Gloriette
dicht und animierend, tief, kraftvoll, vollmundig und saftig mit klarer Frucht von Beeren und Kirschen, Noten von Kräutern, etwas Tabak und Gewürzen, kühlen mineralischen Tönen, geschmeidigem Tannin, mit Luft auch Anklängen an Vanille und teilweise kandierte Nüsse – ein sehr eleganter Wein mit Charakter und Länge
Der weiße Flaggschiff-Wein, der 2015 Neuburger Golden Erd, präsentierte sich zwar tief, dicht und druckvoll mit viel Schmelz, würzigen und salzigen Noten und festem mineralischem Kern, doch er brauchte sehr viel Luft, um sich zu öffnen, und ließ deutlich genug erkennen, dass er momentan noch nicht in Form ist. Er beansprucht noch einige Jahre Zeit, bevor er bereit sein wird, seinen Charakter freigiebig zu entfalten, und diese wollen wir ihm gern geben – die beeindruckenden Anlagen, die er jetzt schon zeigt, werden uns zweifellos Recht geben.
Kulinarischer Auftakt in Düsseldorf
Lukas war auch einer der sieben Österreicher, mit denen ich am Vorabend der Messe im Weinhaus Tante Anna in der Düsseldorfer Altstadt ein wirklich denkwürdiges kulinarisches Erlebnis teilen durfte. Betreut von Patron Tobias Ludowigs und seinem Team, genossen wir engagierte Gastfreundschaft und schwelgten in der grandiosen Weinkarte. Dabei konzentrierten wir uns auf gereifte Rieslinge – und das intuitiv: Jeder am Tisch wählte frei nach Gusto einen Wein aus, der Sommelier des Hauses nahm die komplette Bestellung entgegen und stimmte die Auswahl in Absprache mit dem Küchenchef auf das Menü ab. Dieses umfasste dann sechs Gänge:
- Marinierter Blumenkohl, Gelbe Bete, Winter-Trüffel und Schnittlauchöl
- Jakobsmuschel-Winter-Ceviche, Kürbismousse, Granatapfelkerne und Endiviensalat
- Confierte Taubenbrust, Kerbelwurzel und Rosenkohlblätter
- Confierte Kalbshaxe, in Gewürzöl gegart, Kartoffelbuchteln und Möhren
- Käseauswahl vom Affineur Waltmann
- Schwarzwälder Kirsch
Die Anzahl der Weine war am Ende doppelt so hoch – einschließlich zweier Magnumflaschen:
- 2007 Riesling Pechstein GG, Georg Mosbacher
- 2009 Riesling Nies’chen GG, Reichsgraf von Kesselstadt
- 2015 Riesling Kirchenstück GG, Dr. von Bassermann-Jordan
- 2015 Fourchaume Chablis Premier Cru, Domaine du Colombier
- 2007 Silvaner Julius-Echter-Berg GG, Juliusspital
- 2008 Riesling Steinbuckel GG, Philipp Kuhn
- 2007 Riesling Idig GG, A. Christmann
- 2013 Spätburgunder Rhini, Ziereisen
- 2010 Spätburgunder R Sommerhalde GG (Magnum), Bernhard Huber
- 2004 Kiedricher Gräfenberg Riesling Auslese, Robert Weil
- 1999 Saarburger Rausch Riesling Auslese, Forstmeister Geltz-Zilliken
- 2001 Grande Sélection (Magnum), Champagne Le Brun de Neuville
Daheim in Österreich
Auch auf der Messe nahm Österreich – wie üblich bei mir – einen ordentlichen Teil ein. Ich begann traditionell wiederum bei Tinhof, wo Lukas, sein Onkel Erwin Tinhof selbst und Konstantin Ott mich die Weine probieren ließen, die zuvor in Frankfurt nicht zu verkosten gewesen waren. Neben zwei maischevergorenen Weißweinen (Muskat und Neuburger) – die als gelungenes Experiment betrachtet werden dürfen – waren das vor allem Weißburgunder und Sankt Laurent. Der 2016 Weißburgunder Leithaberg DAC war mit seiner saftigen Art und seiner großen Trinkfreude mein Favorit, der 2015 Weißburgunder Golden Erd präsentierte sich tief, kraftvoll, elegant und lang, ist aber derzeit noch sehr stark vom Holz geprägt; einige Jahre Reife sind auch hier angezeigt. Mit sehr viel Saft erfreute auch der 2015 Sankt Laurent Feuersteig.
Ein weiteres Highlight im Burgenland war das Weingut Prieler, das auch einige gereifte Gewächse mitgebracht hatte. Ich probierte zuerst drei Weißburgunder in einer bemerkenswerten Zeitreise: Der 2016 Weißburgunder Leithaberg DAC erfreute mit Saft, Schmelz, feiner Frucht, Mineralität und Trinkfreude, der 2006 Weißburgunder Leithaberg zeigte sich geradlinig und fest mit Saft, Zug und Finesse; der 1990 Pinot Blanc Seeberg erwies sich als unglaublich frisch, straff und feinsaftig mit vegetabilen und nussigen Aromen. Danach folgte der 2015 Pinot Noir Ried Satz – kühl und saftig mit Aromen von dunklen Beeren und ätherischer Würze. Abschließend verkostete ich drei Jahrgänge des Blaufränkisch Ried Goldberg: den kraftvollen, berührenden 2015er, den sehr langen 2011er und den eleganten 2006er. Fazit: Georg Prieler und seine beiden Standmitarbeiter präsentierten eine beeindruckende Kollektion, und dass die Weine eine längere Maischestandzeit erfahren, kommt ihnen qualitativ sehr zugute.
Ebenfalls im Burgenland sind Katharina und Georg Preisinger zu Hause. Sie bieten unprätentiöse Weine im besten Sinne, und Georg ist darüber hinaus ein Meister des Storytelling. Das zeigte sich im langen Gespräch mit den beiden ebenso wie an der Idee mit der Rakete, mit der er seine Qualitätsphilosophie bildlich darstellt.
Zur Erklärung darf ich hier meine Blog-Berichte von der ProWein 2012 und 2014 zitieren: „Preisinger hat unter dem Motto ‚Liquide Zeitreisen‘ seine Weine in drei Qualitätslinien eingeteilt: Tradition (‚Kurzstrecke‘), Premium (‚Mittelstrecke‘) und Top (‚Langstrecke‘) – bezogen sowohl auf das Alter der Rebstöcke als auch auf das Reifepotenzial der Weine. Veranschaulicht wird das Motto von einer Spielzeugrakete auch auf den Flaschenetiketten. Diese wurden vom Designer Nikolaus Eberstaller gestaltet und zeigen die Rakete in unterschiedlichen Phasen ihrer Reise.“ „Mit zunehmender Weinqualität fliegt die Rakete immer höher, was sich nicht nur im Bild, sondern auch in der Form des Etiketts ausdrückt.“ Beim Sekt mit dem Namen „Himmel voller Sterne“ ist die Rakete schließlich gar nicht mehr zu sehen.
Georg verwendet für seine Weinflaschen ausschließlich Schraub- und Glasverschlüsse: Seiner Erfahrung nach reifen die Weine dann langsamer und gleichmäßiger und sind dadurch länger lagerfähig. Eine der wichtigsten Lagen des Betriebs ist der Ungerberg, der sich durch einen sehr kargen, kalkhaltigen Boden auszeichnet. Weil darauf nur wenig wächst, erhielt die Lage den Namen Hungerberg, und das H am Anfang schliff sich mit der Zeit ab.
Von den 30 Weinen, die Georg und Katharina mitgebracht hatten, probierte ich die Hälfte. Meine Favoriten waren:
- Himmel voller Sterne brut nature (Chardonnay und Welschriesling)
fein, elegant und saftig - 2012 Chardonnay Ungerberg
saftig mit viel Schmelz und Finesse sowie Noten von Karamell und gelben Früchten - 2009 Sixty-Four Weißburgunder
kraftvoll, dicht und mineralisch mit feinem Saft und Länge - 2014 Sixty-Nine Sankt Laurent – was die Eleganz betrifft, könnte Sankt Laurent der österreichische Pinot Noir sein, wenn er reif geerntet würde, meinte Georg
saftig und elegant, recht dicht und animierend - 2015 Blaufränkisch Ungerberg
saftig, körperreich, kompakt, elegant, tief und animierend - 1999 Chardonnay Trockenbeerenauslese
tief, sehr animierend, fein und ausgewogen mit Noten von Aprikosen, Tabak, Kräutern und Honig
Und ein weiteres Burgenländer Weingut besuchte ich: Andreas Ziniel führt als Logo den kleinen griechischen Buchstaben Zeta – gelungen! – und stellte ebenso selbstbewusst wie unaufgeregt und charmant die Weine seiner Familie (weiße Etiketten) und auch seine eigenen Kreationen (blaue Etiketten) vor. Aus unerfindlichen Gründen habe ich mir hier keine Notizen zu den Weinen gemacht – aber Favoriten hatte ich dennoch: den 2017 Gelber Muskateller, den 2017 Weißburgunder und den 2017 Welschriesling vom Spitz sowie den 2013 St. Andräer Sankt Laurent Reserve und den 2015 St. Andräer Heulage Chardonnay.
Bei Familie Pfaffl aus dem Weinviertel, wo wieder sowohl die Eltern Roman und Heidi als auch Sohn Roman Josef und Tochter Heidi am Stand waren und gewohnt engagiert und herzlich die Gäste betreuten, verkostete ich rund 30 Weine – und die Favoritenquote war erwartungsgemäß wieder einmal sehr hoch:
- 2017 Harmony Gemischter Satz
feinwürzig und saftig - 2017 Hund Grüner Veltliner Weinviertel DAC
kraftvoll, fest und saftig - 2017 max. Grüner Veltliner Weinviertel DAC Reserve
kraftvoll, würzig, fest, saftig und nachhaltig mit zartem Schmelz - 2017 Hommage Grüner Veltliner Weinviertel DAC Reserve
tief, sehr dicht, kraftvoll und lang - 2017 Sand Muskateller
animierend und feinduftig - 2016 Passion Riesling Reserve
tief, fest und dicht - 2013 Am Berg Riesling Grand Reserve
tief, vollmundig und fruchtintensiv - 2015 Rossern Chardonnay Grand Reserve
tief, kompakt, schmelzig, kühl, leicht ätherisch und lang - 2017 Sandstein Zweigelt
saftig und seidig mit Kirschfrucht - 2017 Wald Sankt Laurent
ätherisch und saftig mit Noten von Kräutern und dunklen Beeren - 2016 Burg Zweigelt Reserve
kompakt und saftig mit Noten von Vanille, Nüssen und Beeren - 2013 Heidrom Grand Reserve
konzentriert, sehr dicht, dunkel und saftig mit Noten von Tabak, Brombeeren und Teer, intensiver Mineralität und kräftigem Tannin; das ist für mich der beste Heidrom, seit ich diesen Wein kenne
Sehr überzeugend waren auch die Weine vom Weingut Geyerhof aus dem Kremstal – allen voran die gereiften Gewächse. Meine Favoriten aus 16 Weinen:
- 2011 Grüner Veltliner Gutsreserve
tief und in sich geschlossen mit Noten von Marzipan, Mirabellen und Pfeffer, Schmelz und Saft, Länge und Zug – Status: herausragend - 1988 Grüner Veltliner Ried Steinleithn Erste Lage
frisch, ruhig, mineralisch und nachhaltig mit vegetabilen und nussig-würzigen Aromen sowie feiner Säure – Status: herausragend - 2017 Grüner Veltliner Ried Hoher Rain Kremstal DAC
typisch und saftig mit Ausdruck – Status: großartig - 2016 Grüner Veltliner Ried Gaisberg Erste Lage Kremstal DAC
Schmelz, Körper und Saft – Status: großartig - 2017 Grüner Veltliner Rosensteig Kremstal DAC
saftig und geradlinig - 2016 Grüner Veltliner Ried Steinleithn Erste Lage Kremstal DAC
saftig mit Kraft und Holznoten - 2016 Riesling Ried Kirchensteig Erste Lage Kremstal DAC
saftig und mineralisch mit Zitrus- und Pfirsichnoten und Zug - 2017 Gelber Muskateller
fein und saftig - 2017 Zweigelt Rosé
feinsaftig - 2015 Zweigelt StockWerk
ausgewogen mit kühlem Saft und Kirschnoten - 2015 Zweigelt Ried Richtern
recht saftig, mineralisch und kompakt mit dunkler Frucht
Schließlich konnte ich mir auch einen der großen Namen aus der Wachau nicht versagen. Bei F.X. Pichler probierte ich wirklich ausdrucksstarke, charaktervolle Gewächse aus dem neuen Jahrgang:
- 2017 Grüner Veltliner Ried Klostersatz Federspiel
sehr rund mit Kraft und Schmelz - 2017 Grüner Veltliner Dürnstein Smaragd
saftig, feinfruchtig und nachhaltig - 2017 Grüner Veltliner Ried Loibenberg Smaragd
feinsaftig, vielschichtig und lang - 2017 Riesling Ried Burgstall Federspiel
saftig und nachhaltig - 2017 Riesling Ried Loibenberg Smaragd
kraftvoll, sehr saftig und nachhaltig mit voller Pfirsich- und Aprikosenfrucht - 2017 Riesling Ried Kellerberg Smaragd
sehr tief, ergreifend, dicht und fein – ein Gänsehaut-Wein, der jede Kapillare durchdringt
Doch das alles war mehr oder weniger nur ein Vorgeschmack: Schwerpunktmäßig werde ich die österreichischen Weine vom 9. bis 11. Juni auf der VieVinum in Wien verkosten.
Pfälzer Akzente
Deutschland wird mein Verkostungsschwerpunkt auf der VDP-Weinbörse am 29. und 30. April in Mainz sein. Auf der ProWein besuchte ich lediglich zwei Weingüter aus der Pfalz, die Sektmanufaktur Schloss Vaux aus dem Rheingau und eine Vergleichsverkostung von Silvanern aus Franken.
Interessante Akzente setzte das Weingut Naegele mit den fünf Weinen, die ich probierte:
- 2016 Muskateller trocken
fein und animierend - 2017 Riesling Kabinett trocken
fruchtig, typisch und saftig - 2016 Riesling am Kirchberg trocken
kraftvoll, vollmundig und saftig - 2015 Dr. Bonnet & Mr. Hyde Domina trocken
weich, kraftvoll und würzig mit Noten von roten Früchten, mit Luft tanninbetonter und erdiger - 2015 Hambacher Schlossberg Spätburgunder Kairos trocken
elegant und saftig
Eine sehr lohnende Neuentdeckung für mich war das Weingut Bremer, das von den drei Schwestern Anna, Rebecca und Leah geführt wird. Unterstützung erhalten sie von ihrem Önologen, der passenderweise den naturverbundenen Namen Michael Acker trägt und sein Handwerk offensichtlich bestens versteht. Vier Weine, vier Volltreffer:
- 2017 Rosé trocken
fein und vollmundig - 2017 Auxerrois trocken
rund und fein - 2015 Weißburgunder trocken
saftig, fein und animierend mit sehr feinem Holzeinfluss - 2017 Gelber Muskateller trocken
fein, saftig und frisch
Diesen Betrieb werde ich mir bei nächster Gelegenheit einmal genauer anschauen.
Prickelnder Rheingau
Der Besuch am Stand von Schloss Vaux war auch dieses Jahr ein Highlight der Messe – sinnlich ebenso wie menschlich. Äußerst charmant und engagiert betreut von Ayla Serbes und Nikolaus Graf von Plettenberg persönlich, nahm ich mir mit großem Vergnügen Zeit für alle zwölf angebotenen Sekte, die ausschließlich in traditioneller Flaschengärung hergestellt werden. Bemerkenswert waren diesmal besonders die Rosés – meine Favoriten:
- 2015 Vaux Rosé brut (edles, zart fliederfarbenes Etikett, der Sekt selbst orangefarben; 55% Spätburgunder, 45% Weißburgunder und Chardonnay)
erdig, beerig, elegant, fein, saftig und ausgewogen – Status: großartig - 2016 Vaux Riesling brut
mineralisch, frisch und feinsaftig mit typischer Rieslingfrucht - 2015 Blanc de Noirs brut (100% Pinot Noir)
dunkelbeerig, weich und feinsaftig mit Anklängen an Toast – zum Essen - 2015 Sauvignon Blanc brut
typisch, frisch, mineralisch und saftig mit Noten von grünen Früchten und Cassis - 2014 Erbacher Marcobrunn Riesling brut
tief mit Noten von Aprikosen, Pfirsichen und dunklen Früchten, feiner Würze und Schmelz - 2010 Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling brut
tief, voll und kräftig mit Noten von Aprikosen, Pfirsichen und Kräutern (vor allem Rosmarin), erdigen Tönen und einem Hauch Petrol – würde ich, so verrückt das klingt, zu Lamm probieren - 2015 Rheingauer Reserve brut (100% Riesling)
Rückgrat, feine Zitrusfrucht, zarte Würze, Charakter und frische Säure - 2015 Rosé Reserve brut (100% Spätburgunder)
sehr fein, rund und animierend mit Himbeernoten, zartem Schmelz und Eleganz
Trend zum Maischeausbau
Eine ausgesprochen spannende Verkostung hatte die Gebietsweinwerbung Frankenwein-Frankenland organisiert: In sechs Flights wurden jeweils ein most- und ein maischevergorener Silvaner desselben Produzenten einander gegenübergestellt. Diese zwölf Weine stammten aus den Jahrgängen 2015 bis 2012 und hatten so bereits ihren Charakter entfalten können. Von meinen fünf Favoriten in dieser Degustation waren vier maischevergoren – ein eindeutiges Votum, das mich nicht überraschte:
- 2012 Am Heerweg Silvaner trocken Maische, Waldemar Braun
klar, saftig und geradlinig mit Aromen von Ananas, Nüssen, Äpfeln und Kräutern, erdig-würzigen, mineralischen und ätherischen Noten und Spiel– Status: herausragend - 2015 Mainstoff Silvaner trocken Maische, Max Müller I
kraftvoll, ausdrucksstark und nachhaltig mit nussigen und vegetabilen Tönen, Noten von gelben und weißen Früchten, deutlichem Tannin und Holzwürze – Status: großartig - 2015 Silvaner trocken Maische, Glaser-Himmelstoss
fest, herb, geradlinig, recht saftig und kühl-mineralisch mit Apfel- und Kräuternoten, erdigen Tönen und gewisser Nachhaltigkeit - 2014 Silvaner Orange trocken Maische, Divino
feinfruchtig mit Noten von weißen und gelben Früchten, zart nussiger und holziger Würze, Schmelz und feinem Saft - 2015 Volkacher Ratsherr Silvaner trocken, Max Müller I
sehr typisch mit vegetabilen, nussigen, erdigen und gelbfruchtigen Noten, zarter Holzwürze und Schmelz
Grundsätzlich betrachte ich das Arbeiten mit längerer Maischestandzeit oder sogar die Vergärung auf der Maische als Trend bei Weißweinen. Man muss dafür gar keine Hardcore-Orange-Weine produzieren und auch kein Dogma daraus machen, aber die Weine erhalten so einfach mehr Körper und Tiefe, sie sind oft vielschichtiger und nachhaltiger. Das zeigten nicht nur die Silvaner in der Frankenwein-Verkostung, sondern allein auf dieser Messe auch die entsprechenden Gewächse von Tinhof und Prieler.
Jura und Loire ganz typisch
Auch in Frankreich entdeckte ich zwei empfehlenswerte neue Weingüter.
Als Liebhaber französischer Bergweine zog es mich zur Domaine Jacques Tissot aus dem Jura. Philippe Tissot ließ mich zwölf Weine einschließlich Macvin du Jura und Marc du Jura probieren, die herrlich typisch für ihre Herkunft waren. Meine Favoriten:
- Crémant du Jura Blanc (Chardonnay und Pinot Noir)
frisch und rund - 2016 Chardonnay Les Corvées sous Caron (50 Jahre alte Reben, zwei Monate im Barrique gereift)
rund, animierend und saftig mit Holznoten - 2014 Blanc-Typé Tradition
saftig, würzig, nussig und fein - 2014 Savagnin
fein, saftig, frisch und mineralisch, unaufdringlich
Darüber hinaus schenkte Tissot unter anderem aus:
- Crémant du Jura Rosé
- 2015 Poulsard
rund mit Noten von Karamell und Nüssen - 2014 Trousseau
geradlinig - 2010 Vin Jaune (100% Savagnin)
kräftig und feinfruchtig mit Noten von Blüten und Nüssen, präsenter Säure und salziger Mineralität - 2011 Vin de Paille (Chardonnay, Savagnin, Poulsard und Trousseau)
Aromen von Nüssen, kandierten Erdbeeren und Honig, lang
Die Domaine Dozon von der Loire produziert ausschließlich Cabernet Franc, wie es sich für die Gegend von Chinon gehört. Eric Santier präsentierte vier Weine, die alle die Rebsorte sehr gut zum Ausdruck brachten:
- 2017 Cabernet Franc Rosé Chinon
typisch, frisch, fein und saftig - 2017 Le Petit Chemin Chinon (30 Jahre alte Reben auf Sand- und Tonböden)
beerenfruchtig und unkompliziert - 2017 Clos du Saut au Loup Chinon (40 Jahre alte Reben auf Schiefer- und Tonböden)
saftig und mineralisch mit Noten von dunklen Beeren und pfeffriger Würze, sehr sortentypisch, zugleich terroirgeprägt, elaboriert – Status: großartig - 2015 Le Grand Saut Chinon (60-70 Jahr alte Reben auf kalkhaltigen Ton- und Schieferböden)
tief, mineralisch, dicht und nachhaltig mit Noten von Beeren, Kirschen, Gewürzen und etwas rauchigem Holz und mit Zug – hat noch Zeit
Dreimal Champagne
Natürlich gibt es für mich keine ProWein ohne Champagner! Zwei bekannte Häuser und einen mir neuen Produzenten besuchte ich.
Bei Legras & Haas war neben Jérôme Legras erstmals seit mehreren Jahren auch seine Mutter Brigitte wieder am Stand – ein freudiges Wiedersehen! Die vier Champagner, die ich verkostete, waren sehr bemerkenswert:
Blanc de Blancs Grand Cru extra brut geradlinig und fein
- 2011 Blanc de Blancs Grand Cru Millésime brut
tief, saftig, ruhig, animierend, vielschichtig und lang mit Noten von dunklen Beeren, Nüssen und Mirabellen - 2012 Les Sillons Blanc de Blancs Grand Cru Millésime brut (Einzellage, 35 Jahre alte Reben, Grundwein im Holzfass ausgebaut, degorgiert im April 2017)
leichtfüßig, fein und sehr nachhaltig mit festem Kern, jodig-mineralischen Noten, feiner nussiger Würze und Aromen von Zitrusfrüchten, Mirabellen, Blüten und jungen Kirschen; sehr beeindruckend – Status: großartig - Exigence No. 8 Grand Cru brut
tief, vollmundig, weinig und sehr nachhaltig mit rauchigen und röstigen Anklängen sowie Aromen von Zitrusfrüchten, Blüten und dunklen Beeren
Pierre Hartweg von Nicolas Feuillatte wartete seinerseits mit einem ganz besonderen Gewächs auf: dem 2008 Blanc de Noirs Grand Cru Millésime brut – sehr geradlinig und subtil mit Noten von roten Johannisbeeren. Man unterschätzt diesen Champagner zunächst gnadenlos; erst nach dem Hinunterschlucken merkt man, welch feines texturelles Netz er im gesamten Mundraum ausgebreitet hat: Denn dann kristallisiert und erstrahlt er und entwickelt einen beeindruckenden Zug. Ich habe ihn „Columbo-Champagner“ getauft – man denkt, er sei schon gegangen, aber dann kommt er zurück, und es wird erst richtig ernst.
Durch einen Zufall kam ich zu Château de Barfontarc – einer Kooperative, zu der sich 52 Familien vor drei Generationen zusammengeschlossen haben. Die Champagner hier fielen vor allem durch ihr Preis-Leistungs-Verhältnis auf:
- 2009 Cuvée Saint-Germaine brut (60% Pinot Noir, 40% Chardonnay)
fein, kühl, geradlinig und elegant mit Noten von Himbeeren – Status: großartig - 2008 La Vigne au Roy brut (50% Pinot Noir, 50% Chardonnay)
frisch, präsent und nachhaltig mit heller Aromatik von Zitrusfrüchten - Rosé de Saignée brut (100% Pinot Noir)
kraftvoll, straff und eng mit Noten von dunklen Früchten und Blutorangen
Perlen, Rosés und fliegende Flaschen
Nach meinem Besuch im Bordelais im vergangenen Jahr traf ich bei Castel Kommunikationsdirektor Franck Crouzet wieder, der mir die Neuheiten des Hauses vorstellte. Die Trends, mit denen sich Castel derzeit beschäftigt, sind Rosé und Schaumwein – und beide Weinarten bekam ich folgerichtig zum Probieren. Mein Favorit unter den Rosés war dabei der 2017 Grand Cavalier Côtes de Provence von Château Cavalier – kraftvoll, tief, mineralisch und animierend mit Aromen von dunklen Beeren. Aus der Languedoc-Rebsortenlinie verkostete ich davon abgesehen den 2017 Pinot Noir Grande Réserve – fein, saftig und ausgewogen.
Darüber hinaus kredenzte Castel Bordeaux-Rotweine aus seinem umfangreichen Sortiment und bediente sich dafür eines speziellen Ausschanksystems der neuen französischen Marke Digby. Dabei handelt es sich um einen Automaten, in den die geöffneten Weinflaschen eingesetzt werden; daraus kann sich eine recht imposante Phalanx ergeben. Eine Automateneinheit umfasst bis zu sechs Module mit je zwei Flaschen (d.h. insgesamt vier bis zwölf Flaschen), die über ein Touchscreen-Display angesteuert werden können. Für jedes dieser Module lässt sich die Temperatur individuell einstellen. Die Flaschen stehen dabei nicht auf dem Boden, sondern werden innerhalb ihrer Öffnung befestigt, so dass sie zu schweben scheinen. Der Befestigungsmechanismus funktioniert mithilfe eines Gummirings, der maschinell zusammengedrückt wird und sich innerhalb des Flaschenhalses ausdehnt, bis er die Flasche komplett hält. In die Flasche wird dann ein Edelgas geleitet, um den Wein vor Sauerstoffeinfluss zu schützen; laut Herstellerangaben bleibt er so bis zu drei Wochen frisch. Über das Display kann dann der Servicemitarbeiter oder der Kunde selbst mit einer Benutzer- oder Kreditkarte die gewünschte (vorher im System festgelegte) Menge den jeweils ausgewählten Weins ins Glas füllen lassen. Ich ließ mir aus diesem Automaten einen Schluck 2014 Château Malartic-Lagravière Pessac-Léognan Grand Cru ausschenken – rund, beerig, feinwürzig und elegant.
Rioja-Reifezeugnis
Unterhaltsam und erkenntnisreich war eine Verkostung gereifter Rioja-Rotweine mit David Schwarzwälder, zu der das Informationsbüro DOCa Rioja eingeladen hatte. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die neue Image-Kampagne der DOCa Rioja vorgestellt, die unter dem Motto „Saber quién eres“ („Wissen, wer du bist“) die Identität und Authentizität der Region und ihrer Weine betont. Hierzu gab es eine Informationsbroschüre und einen kurzen Film, verbunden mit der selbstbewussten Aussage: „Wer weiß, wer er ist, fragt nicht um Erlaubnis; er fragt nach Rioja.“ Die Bilder der Kampagne zeigen typisch spanische Motive, in denen es um Emotionen und Persönlichkeit geht, und sind – jedenfalls in ihrer ursprünglichen Version – mit Rioja-Rotwein gemalt.
In der kommentierten Verkostung präsentierte David Schwarzwälder sieben Weine „außergewöhnlicher Jahrgänge“ (so der Titel der Veranstaltung), deren Rangfolge sich gemäß meiner persönlichen Präferenz (absteigend) wie folgt gestaltete:
- 2001 Mirto, Bodegas Ramón Bilbao (100% Tempranillo)
tief, dicht, kühl, ätherisch, saftig, sehr fein, elegant und mineralisch mit Noten von Beeren, Schwarzkirschen und Gewürze, feinem Tannin und langem Nachhall - 2010 Viña Bujanda Gran Reserva, Viña Bujanda (100% Tempranillo)
tief, saftig, mineralisch und nachhaltig mit Reifenoten, Aromen von Waldboden, Laub, dunklen Beeren, Leder und Pflaumen, feinem Tannin und Biss - 2010 Polus, Loli Casado (100% Tempranillo)
sehr saftig, kraftvoll, elegant und kühl-mineralisch mit feinen Reifenoten, Aromen von Kräutern, Beeren, dunklen Kirschen und etwas Vanille und Nüssen sowie feinem Säurebiss - 2005 Santalba Viña Hermosa Gran Reserva, Santalba (100% Tempranillo)
deutlich gereift und zugleich saftig mit animalischen Tönen, Noten von Laub, Kokos sowie roten und auch dunklen Beeren, zartem Biss und gewisser Nachhaltigkeit - 2011 Campo Viejo, Bodegas Campo Viejo (85% Tempranillo, 10% Graciano, 5% Mazuelo)
kraftvoll, recht saftig und geschmeidig mit Reifenoten, Aromen von Teer und dunklen Früchten sowie erdig-würzigen und nussigen Tönen - 2010 Picea 650, Hacienda el Ternero (95% Tempranillo, 5% Mazuelo)
erst etwas gedeckt, dann sehr geradlinig, kühl, dicht, ätherisch und erdig mit Noten von Kräutern und dunklen Beeren, gewisser Kraft und Biss sowie kräftigem Tannin - 2010 Arnegui Gran Reserva, Félix Solís Avantis (100% Tempranillo)
recht geradlinig und saftig, aber auch leicht morbide mit erdigen und nussigen Tönen, Gewürz-, Lakritz- und Beerenaromen und Biss
Große Weine, kleines Land
Wie schon im vergangenen Jahr, besuchte ich auch diesmal das israelische Weingut Recanati, dessen Rotweine mich vor einiger Zeit sehr beeindruckt hatten. Ich hatte die Ehre, dass mich Head Winemaker Gil Shatsberg persönlich durch die Probe führte. Durch seine Erläuterungen wurde mir erst bewusst, wie klein das Land eigentlich ist: Es misst in der Länge 470 Kilometer und in der Breite im Zentrum rund 135 Kilometer, im Süden sogar nur 15 Kilometer; damit ist die Fläche Israels etwa so groß wie die von Hessen. Gil Shatsberg kommentierte das augenzwinkernd: „We are a small country, but we make a lot of noise.“
Ich verkostete acht Weine, von deren Charakterstärke ich wiederum sehr angetan war. Wie viele israelische Weingüter kultiviert Recanati überwiegend französischstämmige Rebsorten, die ich ohnehin sehr schätze. Meine Favoriten waren:
- 2016 Special Reserve White (Roussanne und Marsanne)
Schmelz, volle Frucht, zarte Würze - 2017 Gris de Marselan Saignée
geradlinig und vollmundig mit Noten vonHimbeeren, Erdbeeren und Kirschen sowie zarter Würze - 2015 Petite Sirah Reserve
elegant und vollmundig mit klarer Frucht von Beeren und Pflaumen, Gewürzaromen und kräftigem Tannin – Status: großartig - 2015 Carignan Reserve (35 Jahre alte Reben)
saftig, tief, vollmundig, präzise und elegant mit Brombeernoten und geschmeidigem Tannin
Down Under hoch hinaus
Auch dieses Jahr verbrachte ich überdurchschnittlich viel Zeit am Stand von Marisco aus Marlborough, Neuseeland. Ausführlich probierte ich alle 18 vorgestellten Weine, wie gewohnt charmant und fachkundig kommentiert von Chris Lysley. Auch Brent Marris und sein Team von Marisco setzen auf langes Maische- und Hefelager, und das kommt den Weinen sehr zugute. Meine Favoriten dieser ausschließlich sortenreinen Gewächse waren:
- 2017 The King’s Favor Sauvignon Blanc
tief, mineralisch und saftig mit Noten von Stachelbeeren, Gras, Zitrusfrüchten, Kräutern und Cassis - 2011 Pride & Glory Sauvignon Blanc
tief, kraftvoll, dicht und extraktreich mit Noten von dunklen Beeren, Kräutern, Paprika und Rhabarber, erdig-mineralischen Tönen, Zug und Länge - 2017 The Ned Pinot Grigio
leicht bronzefarben; saftig, fein, animierend, ausgewogen und elegant mit Aromen von gelben und roten Früchten (Mirabellen, etwas Ananas und Himbeeren) sowie zart nussigen und mineralischen Noten - 2016 The King’s Thorn Pinot Gris
tief, fest und saftig mit Aromen von gelben Früchten, fein nussigen, kräuterigen und mineralischen Noten, Anklängen an Karamell, viel Zug und Länge - 2012 The Exemplar Viognier
voll, fein und saftig mit üppiger tropischer Frucht, floralen, nussig-würzigen, rauchigen und mineralisch Noten und Kraft – steht jetzt in voller Blüte - 2014 The Pioneer Chardonnay
präzise und saftig mit Holzwürze, Apfel-, Zitrus- und Birnenaromen, mineralischen Noten, gewisser Kraft und Nachhaltigkeit und Zug - 2016 The King’s Wrath Pinot Noir
kraftvoll, geradlinig und saftig mit Noten von dunklen Früchten sowie erdig-würzigen und mineralischen Tönen - 2016 The Ned Noble Sauvignon Blanc
Noten von kandierter Ananas, Honig und eingemachten Pfirsichen, feine Säure
Anhand der Weinnamen ließe sich übrigens die rund 900-jährige Geschichte der Familie nacherzählen, was aber hier zu weit führen würde. Am besten fliegt man dafür einfach mal hin – oder schaut bei Europa-Vertriebsleiter Christian U. Bonfert in Würzburg vorbei!
Ein verrückter Fuchs
Seit dieser ProWein habe ich auch ein ganz neues Land auf meiner Wein-Weltkarte: Uruguay. Der Staat an der südamerikanischen Atlantikküste hatte in den Wochen vor der Messe mit mehreren Pressemitteilungen auf sich aufmerksam gemacht, und dadurch war ich neugierig geworden.
Weinbau existiert in Uruguay seit Mitte des 17. Jahrhunderts, als spanische Siedler die ersten Rebstöcke einführten. Die kommerzielle Weinproduktion begann um 1870: Der französische Winzer Pascual Harriague, der aus dem Baskenland nach Uruguay auswanderte, brachte die Rebsorte Tannat mit und pflanzte auf seinem Weingut La Caballada – in der Nähe von Salto im Nordwesten des Landes – rund 200 Hektar davon an. Damit gilt Tannat als die älteste Rebsorte Uruguays und ist auch heute noch die wichtigste des Landes: Von den rund 10.000 Hektar Rebfläche (zum Vergleich: Deutschland hat gut zehnmal so viel) ist etwa ein Drittel mit Tannat bestockt. Insofern ist Tannat für Uruguay vergleichsweise das, was Malbec für Argentinien und Carmenère für Chile ist.
Die Weinbaugebiete in Uruguay liegen hauptsächlich entlang der beiden Flüsse Río de la Plata und Río Uruguay, die die südliche und westliche Staatsgrenze zu Argentinien bilden; Río Uruguay bedeutet so viel wie „Fluss der bunten Vögel“, und dieser gab dem Land (das offiziell República Oriental del Uruguay, also „Republik östlich des Uruguay“ heißt) seinen Namen. Seit 1992 gibt es fünf Anbaugebiete für Wein, die einfach geografisch bezeichnet werden: das südliche (rund um die Hauptstadt Montevideo in den Departamentos Canelones, San José, Montevideo und Maldonado), das südwestliche (Departamento Colonia), das mittlere (Departamento Río Negro), das nordwestliche (Departamentos Salto und Paysandú) und das nördliche (Departamento Rivera). 60 Prozent der Rebfläche befinden sich im südlichen Gebiet, die restlichen 40 Prozent verteilen sich unzusammenhängend über die anderen Gebiete.
Uruguay liegt auf dem 32. südlichen Breitengrad, auf dem auch die Weinbauregionen Südafrikas und Südaustraliens liegen. Das Klima ist heiß und feucht: im Norden des Landes subtropisch und im Süden gemäßigt-mediterran; am Río de la Plata sind die klimatischen Verhältnisse ähnlich wie in Südfrankreich, der ursprünglichen Heimat des Tannat. Die Landschaft ist im Süden und Südosten flach, in Flussnähe sumpfig; das Zentrum Uruguays ist ein Hochplateau (Tafelland), das Richtung Norden hügeliger wird, wobei die Erhebungen nur bis knapp über 500 Höhenmeter ansteigen.
Tannat gilt als rustikale Rebsorte, die durch dunkle Frucht und Würze sowie ihren namensgebenden sehr hohen Tanningehalt geprägt ist. Auch wenn ihre Weine in Aromatik und Textur durchaus an eine Straßenbaustelle erinnern können, hat diese Traube doch doppelt so viele Antioxidantien wie Cabernet oder Merlot. Die Weine brauchen viel Reifezeit, und die „brutale“ Sorte muss gezähmt werden. Wie das gelingt, erlebte ich bei Dirk Reinicke vom Weingut El Capricho.
Dass ich bei meinem Messebesuch ausgerechnet an einen deutschen Emigranten geriet, war purer Zufall. Reinicke war über 20 Jahre für ein großes deutsches Bankhaus in Lateinamerika tätig und lebte lange in Argentinien. 2010 kaufte er zusammen mit einem Partner eine kleine Bodega in Uruguay: sieben Hektar Rebfläche in der Nähe von Durazno im Zentrum des Landes. Seine Frau erklärte ihn ob dieses Vorhabens für verrückt – und weil „capricho“ im Spanischen soviel wie Laune, Marotte oder verrückte Idee bedeutet, war damit der Name des Weinguts geboren.
Der Betrieb arbeitet nachhaltig und naturnah. Aufgrund der Namensähnlichkeit zur Figur „Reineke Fuchs“ im Versepos von Goethe ließ Dirk Reinicke die Etiketten seiner Weine von einer uruguayischen Malerin mit Fuchs-Motiven gestalten. Was ich bei ihm probierte, war sehr überzeugend:
- 2017 Verdejo
fruchtig - 2017 Pinot Noir
saftig, fruchtbetont und weich - 2017 Assemblage TTC (Tannat, Tempranillo und Cabernet)
rund und würzig - 2017 Tannat
kraftvoll mit Noten von Gewürzen (vor allem Anis), Kräutern und dunklen Früchten - 2015 Tempranillo Reserve
kraftvoll und beerig-würzig - 2015 Cabernet Sauvignon Reserve
kräftig mit Noten von Paprika, Kräutern und Cassis - 2015 Tannat Reserve
saftig und kraftvoll mit Noten von dunklen Beeren, Pflaumen, Gewürzen und Kräutern sowie feinem Tannin - 2015 Aguará Tannat Special Reserve („aguará“ ist der lokale Name des Mähnenwolfs, des größten südamerikanischen Wildhunds, der mit dem Fuchs eine gewisse Ähnlichkeit hat)
tief, kraftvoll, noch ruppig, aber dicht und schon saftig mit Noten von dunklen Früchten und Kräutern
Verpflegung und Abendgestaltung
Abgesehen vom kulinarischen Auftakt im Weinhaus Tante Anna war natürlich auch die Verpflegung während der Messetage und an den Abenden relevant.
Sehr empfehlenswert waren tagsüber zum einen die „Organic Lounge“, die die Bioverbände Ecovin, Demeter und Bioland gemeinsam in Halle 13 eingerichtet hatten, sowie zum anderen das Catering von Gruber’s Restaurant in der Österreich-Halle 17. Am Messe-Sonntag verbrachte ich wieder einen sehr angenehmen Abend im Restaurant Kitzbühler Stuben in Lörick.
Am Messe-Montag gab es gegenüber den vergangenen Jahren eine Änderung. Hier hatte bisher immer die traditionelle Party der Sommelier-Union stattgefunden, doch diesmal hatte sich der Verband ein neues Konzept überlegt: Unmittelbar im Anschluss an die Messe fand im „Street Food Park“ in der Halle 18 ein „Apero“ statt – Getränke von Champagner bis Sake, Essen und Musik in lockerer Atmosphäre und mit zeitlicher Begrenzung. Dieses Angebot fand eine breite positive Resonanz und wurde gleich beim ersten Mal zu einem würdigen und sehr ansprechenden Branchentreffpunkt. Ich hoffe sehr, dass dieses Konzept zukunftsfähig sein wird.
Zahlen – Daten – Fakten
Laut der Abschluss-Pressemitteilung der Messegesellschaft waren auf der ProWein dieses Jahr 6.870 Aussteller aus 64 Nationen vertreten – eine weitere Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Besucher lag der Mitteilung zufolge bei über 60.000 Weinprofis, die aus 133 Ländern angereist waren, was wiederum einen neuen Rekord darstellte. Bei allem Verständnis dafür, dass die Messe Düsseldorf offenbar die Zahlen zur ProWein jedes Jahr steigern muss, erscheint mir die kommunizierte Besucherzahl doch als sehr hoch. Sowohl nach meinem eigenen Empfinden als auch nach dem Eindruck sämtlicher meiner Gesprächspartner war in diesem Jahr weniger los als 2017. Dann hätten sich die Besucher zeitlich und räumlich so verteilt, dass ihre abermals größere Menge nicht auffiel. Das schließe ich auch gar nicht aus und empfinde es sogar als angenehm, doch zumindest aus Aussteller- und Gästesicht kann eine Messe auch dann erfolgreich sein, wenn ihre Besucherzahl nicht jedes Jahr wächst. Denn die Aussteller, mit denen ich sprach, waren sich auch alle darin einig, dass die Qualität der Gespräche in diesem Jahr besonders gut gewesen sei.
Die nächste ProWein findet vom 17. bis 19. März 2019 in Düsseldorf statt. Seien wir gespannt!