Auf der diesjährigen Weihnachtsfeier von Vicampo, die selbst organisiert in unseren Firmenräumen im Mainzer Zollhafen stattfand, hatte ich die Freude, die Weinbar zu betreuen. Das brachte mich nicht nur wieder einmal meinem Lehrberuf näher, sondern verschaffte mir auch wertvolle Erkenntnisse über die grundlegenden Auswahlkriterien für Weine in der Alltagspraxis.
Natürlich werden bei der Weihnachtsfeier eines (zumal sehr erfolgreichen) Online-Weinhandels anständige Weine ausgeschenkt: abgesehen von unkomplizierten Partyweinen durchaus auch einige anspruchsvolle Spezialitäten wie etwa gereifte Große Gewächse. Allerdings arbeiten in einer solchen Weinfirma natürlich nicht nur Freaks (wie ich), die alles Mögliche durchprobieren wollen, sondern überwiegend interessierte Weinlaien, die einfach für den Abend einen Wein finden wollen, der ihnen schmeckt. Das ist dasselbe wie bei jedem Weinfest oder einem Restaurantbesuch, wenn der „handelsübliche Weinkunde“ ausgeht.
Hier geht es um Grundsatzfragen, und in den allermeisten Fällen entspann sich auf der Vicampo-Weihnachtsfeier, wann immer jemand an die Weinbar kam, ein kurzer Dialog nach dem Schema: „Ich hätte gern einen Wein.“ – „Gern, was für einen denn?“ – „Was habt ihr denn da?“ In einer solchen Situation kann man nun entweder eine (hoffentlich aussagekräftige) Liste oder Weinkarte vorlegen oder das Angebot mündlich aufzählen. Als viel sinnvoller erwies sich jedoch, mit drei gezielten Fragen die Vorlieben der jeweiligen Kollegin bzw. des jeweiligen Kollegen einzugrenzen, und danach fiel eine konkrete Empfehlung sehr leicht; probieren lassen, Glas einschenken, zufriedene Mienen allenthalben.
Die drei Fragen, die auf diese Weise zum Ziel führen, lassen sich bereits am Titel dieses Blogbeitrags ablesen:
- Weiß oder rot?
- Trocken oder nicht trocken? (vornehmlich bei Weißwein relevant)
- Falls Weißwein: Soll er wenig Säure haben oder darf er säurebetont sein?
Falls Rotwein: Kräftig oder weniger kräftig?
Mit diesem Muster konnte man sehr schnell bei Weißweinen zwischen Riesling und Burgundersorten und bei Rotweinen zwischen Spätburgunder und beispielsweise Tempranillo entscheiden, und jeder war danach mit dem ausgeschenkten Wein glücklich.
Empfehlungen für die Weinbar
Auf deutsche Weine angewandt, bedeuten diese Erkenntnisse, dass eine Weinbar bei einer Party mit vielen Gästen folgende Weine beinhalten sollte, um alle gängigen Wünsche einfach zu erfüllen:
- Weißburgunder und/oder Grauburgunder
Die wenig säurebetonten Sorten haben Frucht und Schmelz und bieten zusätzlich die Möglichkeit, mit dem Ausbau im Stahl oder im Holz zu spielen;
sie sollten als trockene Weine angeboten werden. - Riesling
Die Sorte mit der typischen, frischen Säure ist besonders vielseitig, was Alter und Zuckergehalt betrifft: Riesling geht jung, gereift, trocken und restsüß. Man sollte – das habe ich auf der Vicampo-Weihnachtsfeier anschaulich festgestellt – niemals die Beliebtheit halbtrockener Weißweine unterschätzen; die Zielgruppe mag nicht sehr groß sein, aber sie ist verlässlich und dankbar. (Die meisten Weintrinker mögen, wie hier im Blog schon mehrfach erwähnt, nominell trockene Weine im höheren zulässigen Restzuckerbereich.) - Spätburgunder
Die rote deutsche Paradesorte bringt Rotweine hervor, deren Stärke weniger in Farbintensität, Kraft und Tanningriff, sondern in ihrer Eleganz und Feinheit liegt – ob im Holz ausgebaut oder nicht. Rotwein hat übrigens stets trocken zu sein; süße Spezialitäten haben in dieser Weinbar-Auswahl nichts verloren, und halbtrockene Rotweine nehme ich nicht ernst. - Bordeaux-Cuvée
Gemeint sind kraftvolle, dichte, eher opulente Rotweine aus Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot mit ausgeprägter Holznote und deutlich spürbarem Tannin. Die gibt es auch aus Deutschland (Rheinhessen, Pfalz, Baden, Württemberg), und dieser internationale Stil erfreut sich allgemein großer Beliebtheit. - Rosé
Roséwein sollte vorzugsweise ebenfalls trocken sein, halbtrocken ist aber auch denkbar. Bei den Rebsorten gibt es ein großes Spektrum: Spätburgunder, Portugieser, Lemberger, Schwarzriesling und noch mehr. - Sekt
Keine Party ohne Schaumwein! Es muss nicht Champagner sein (darf indessen selbstverständlich gern) – mehr Sortenabwechslung und preislichen Spielraum bieten aber deutscher Winzersekt (aus Riesling oder Burgundersorten wie Chardonnay, Weißburgunder oder Spätburgunder) sowie – wenn wir hierfür Deutschland doch verlassen wollen – Crémant aus anderen französischen Regionen, Cava aus Spanien oder Spumante aus Italien (Franciacorta!). Die Geschmacksrichtung brut ist zu bevorzugen; Sekt, auf dem „trocken“ steht, ist geschmacklich vergleichbar mit halbtrockenem Wein.
Wer zusätzlich zur Pflicht auch noch die Kür anbieten will, kann die Weinbar – wiederum, ohne bei der Herkunft der Weine Deutschland zu verlassen – noch erweitern um einen Sauvignon Blanc und/oder einen wirklich süßen Riesling (Spätlese, Auslese). Oder, falls eine entsprechende Nachfrage wirklich hartnäckig besteht, doch einen halbtrockenen Rotwein; der Gast ist König – aber darüber möchte ich dann bitte lieber nichts wissen.