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Vor über 20 Jahren absolvierte ich im Schloss Hugenpoet in Essen-Kettwig meine Ausbildung zum Restaurantfachmann. Diese Lehrzeit hat mich fürs Leben geprägt und den Grundstein für meinen heutigen Beruf gelegt. Sie war nicht immer einfach, aber ich bin für diese Erlebnisse und diese Schule sehr, sehr dankbar. Am Ostersamstag besuchte ich nun gemeinsam mit einer Freundin als Gast das Restaurant Hugenpöttchen – und wir verlebten einen unvergesslichen Abend.

Schloss Hugenpoet, Seitenansicht mit ZufahrtViel ist seit meiner Ausbildungszeit im Schloss geschehen. Es gab allein zwei Inhaberwechsel, das gastronomische Konzept wurde mehrfach umgestellt, und seit Anfang 2014 führt Immobilieneigentümer Maximilian Freiherr von Fürstenberg persönlich den Betrieb. Von meinen damaligen Kollegen sind drei noch bzw. wieder da, und an diesem Abend hatte im Restaurant auch Christian Ruty – zu meiner Zeit Chef de rang – Dienst, der mich sofort wiedererkannte (wobei wir uns zwischenzeitlich das eine oder andere Mal auf der ProWein begegnet waren) und es sich nicht nehmen ließ, uns den Aperitif und den Digestif zu kredenzen.

Wir saßen auf der – so hieß das früher – rechten Terrasse, also im (inzwischen grundlegend renovierten) Wintergarten mit Blick auf den Schlosspark und wurden herzlich und zuvorkommend von Gastronomieleiter und Sommelier Björn Zimmer sowie Restaurantleiterin Jennifer Reisch und ihrem jungen Team betreut. Zum Aperitif gab es vorzüglichen Winzerchampagner aus dem Hause Irroy, und beim Durchstöbern der ebenso umfangreichen wie bestens sortierten Weinkarte stellte ich verzückt fest, dass es auch eine erkleckliche Auswahl an halben Flaschen gab, sogar überwiegend aus älteren Jahrgängen – ein Traum! Allerdings auch nicht sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sie vom Gewinner des „Sommelier Cup 2014“ verantwortet wird.

Schloss Hugenpoet, FrontansichtBjörn Zimmers Weinempfehlung war dann auch ein echter Glücksgriff: Cuvée Victor 2003 vom Schlossgut Diel (zufälliger Weise kam Armin Diel sogar selbst später noch als Gast ins Hotel). Der ganz nach burgundischem Vorbild angelegte Weißwein ließ sich sein Alter von zwölf Jahren zu keinem Zeitpunkt anmerken und nahm sich fast zwei Stunden Zeit, um sich ganz zu entfalten: am Anfang Minze und Eukalyptus, dann reife gelbe Früchte (Quitten, Mostäpfel), zart rauchige Holzwürze, straffe Mineralik, Nachhaltigkeit und viel Schmelz, zum Schluss Karamell und etwas Salz; seine kompakte, äußerst geschliffene und zugleich opulente Anmutung verlor er nie. Großer Genuss!

Und er begleitete vortrefflich unsere gesamte (à la carte gewählte) Speisenfolge: Hugenpoeter Hirsch-Burger mit Wacholdermayonnaise, Preiselbeeren und Pommes frites von Süßkartoffeln (auch dieses kräftig-würzige Gericht meisterte der Victor souverän) / Entenbrust und -leber gebraten mit Kohlrabi, Paprika und Minze +++ Radieschensuppe mit karamellisiertem Pumpernickel +++ Filet von der Dorade Royale mit Gemüse à la Barigoule (in mediterranem Sud), Salzzitrone und Karreekartoffeln / Rochenflügel in Nussbutter gebraten mit Cole Slaw und Senffrüchten. Zur Schokoladen-Mousse mit Ganache und Darjeeling-Summer-Eis gab es noch einen Banyuls Rimage 2010, und den Armagnac Samalens XO, den wir vor dem Kamin in der Halle (früher Tisch 103) nahmen, hatte ich noch über eine Stunde später auf der Zunge.

Carsten M. Stammen im Schloss Hugenpoet vor dem KaminEs war ein nostalgischer und ausgesprochen wohltuender kulinarischer Abend. Architektonisch und atmosphärisch ist das Schloss nach wie vor ein Glanzlicht, die Küche von Erika Bergheim und ihrem Team ist subtil und aromenstark, und der Service ist heute lockerer als zu meiner Ausbildungszeit, aber jederzeit professionell, fürsorglich und liebenswürdig. Christian Ruty gegenüber formulierte ich es, als wir uns später ein wenig unterhielten, auf Französisch: „plus chaleureux“ (was mir treffender erscheint als jedes deutsche Wort mit ähnlicher Bedeutung). Das passt zum Konzept und zum Haus, und ich wünsche mir und insbesondere allen, die jetzt im Schloss tätig sind, dass es zukunftsfähig sein möge. Auf bald – und nochmals besten Dank!