Drei Veranstaltungen bescherten mir über vier Tage ein intensives verlängertes Rhein-Main-Weinwochenende: ein Ball, eine Fachmesse und eine Weinbergwanderung. Dabei gab es Weine und Menschen kennenzulernen, Freunde und Kollegen zu treffen, einiges zu genießen und viel zu reden und zu lachen.
Ball des Weines in Wiesbaden
Am Samstag, dem 28. April, fand im Wiesbadener Kurhaus zum zwölften Mal der Ball des Weines statt, ausgerichtet vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). Laut der abschließenden Pressemitteilung des Verbands gaben sich an diesem Abend 1.500 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Ehre – und diesen Eindruck kann ich bestätigen. Unter den prominenten Ballbesuchern waren der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier – der sich in seiner Ansprache naturgemäß zum Veranstaltungsort Hessen statt Berlin oder München bekannte –, sein Amtsvorgänger Roland Koch, der ehemalige Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa Generalleutnant Mark P. Hertling sowie Lufthansa-Vorstandschef Dr. Christoph Franz.
Meine direkten Kontakte fanden indessen eher auf Fachebene statt: Weinjournalist Rudolf Knoll, Bunte-Gourmetexperte Wolfgang Ritter, Degustationsmeister Cormac Clancy, Christine Balais von der Sommelier-Union Deutschland, Peer F. Holm von Wein & Wissen, Alexander Kohnen vom International Wine Institute und Cyriacus W. Schultze von Wein-Plus. Insgesamt waren auf dem Ball des Weines eher wenig Winzer vertreten, doch aus der jüngeren Generation traf ich zumindest Felix Graf Adelmann und Mark Barth. VDP-Ehrenpräsident Michael Prinz zu Salm-Salm war auf der Bühne präsenter als der amtierende Präsident Steffen Christmann, Michael Graf Adelmann erhielt für seine langjährigen Verdienste im Verbandspräsidium die goldene VDP-Ehrennadel, und die Deutsche Weinkönigin Annika Strebel führte ebenso charmant wie souverän durch den Abend.
Dieser begann mit einem kurzweiligen und sehr authentischen Imagefilm über den VDP und seine Philosophie. Danach wurde ein Drei-Gang-Menü mit korrespondierenden Weinen der VDP-Winzer serviert:
- Der Auftakt-Wein (2008 Bernkasteler Doctor Riesling Erste Lage von Wegeler) und der designierte Dessert-Begleiter (2007 Hallgartener Jungfer Riesling Auslese von Prinz) konnten als Solisten überzeugen.
- Zum dreifachen Tatar von Lachs, Krabben und Rind passte grundsätzlich der 2010er Scharlachberg Riesling GG von Prinz Salm besser als der 2009er Berg Schlossberg Riesling GG von Schloss Schönborn, doch das Rindertatar hätte definitiv einen Rotwein verlangt, und insgesamt hatte die Vorspeise mit Koriander und Anis zwei für mich dringend verzichtbare Komponenten (ich hasse diese beiden Gewürze).
- Der Hauptgang fand allseits großen Anklang und war wirklich eine gelungene Kombination: Rinderfilet mit Gambas, Sauce Foyot (tomatisierte Béarnaise) und Hummerschaum sowie weißem Spargel und Kartoffel-Sellerie-Püree. Leider passte hier keiner der ausgewählten Rotweine so recht: Der 2009er Ihringer Winklerberg Spätburgunder „Mimus“ von Heger war viel zu holzbetont, und die 2008er Cuvée „Herbst im Park“ von Graf Adelmann (Lemberger, Spätburgunder und Cabernet Sauvignon) erwies sich als nicht stark und differenziert genug für das sehr komplexe Gericht.
- Der Eisbecher „Nostalgie“ als Nachspeise schließlich machte seinem Namen alle Ehre – als laut Menükarte „klassische Eiscremevariation“ mit Vanille, Schokolade und Erdbeer („Original Fürst Pückler“ befand Cyriacus Schultze und hat das so auch in seinem Blog kommentiert) und exotischen Früchten.
Zwischen den Gängen gab es künstlerisches Programm: zum einen Populärklassik mit dem britischen Tenor Paul Potts, der vom Publikum frenetisch bejubelt wurde, und zum anderen faszinierende, kurzlebige Gemälde von Sandmalerin Natalya Netselya. Nach dem Menü übernahm die Big-Band der Bundeswehr mit sehr gut tanztauglicher Musik bis ein Uhr früh die Regie im Friedrich-von-Thiersch-Saal, wobei die Tanzfläche dank ihrer übersichtlichen Dimensionierung auch immer gut gefüllt war.
An diversen Ständen in sämtlichen Räumen des Kurhauses wurden VDP-Weine ausgeschenkt. Besonders gut gefielen uns die 2011er Scheurebe von Wirsching, der 2011er Auxerrois Kabinett trocken von Wöhrle (Stadt Lahr) und der 2007er Alexander Johannes Riesling Sekt brut von Jakob Jung. Der beste Wein des Abends war für uns jedoch eindeutig der 1993er Saarburger Rausch Riesling Auslese von Geltz-Zilliken.
Hervorzuheben ist generell auch die Serviceintensität an diesem Abend – so viele „gute Geister“ habe ich noch auf keiner vergleichbaren Veranstaltung erlebt. So genossen wir in festlicher Atmosphäre und bei zunehmend ausgelassener Stimmung eine grandiose Gala und verließen den glanzvollen Ort erst nach drei Uhr früh.
VDP-Weinbörse in Mainz
An den beiden folgenden Tagen (Sonntag und Montag, 29. und 30. April) bat der VDP zu seiner traditionellen Weinbörse in die Mainzer Rheingoldhalle, wo jedes Jahr im Frühling der jeweils aktuelle Jahrgang der Fachwelt vorgestellt wird. Wein-Plus war zu diesem Anlass mit dem gesamten Verkosterteam angereist – neben Redaktionsleiter Marcus Hofschuster und mir selbst auch die freien Mitarbeiter Karl Bajano und Anja Barocha, doch wir waren alle unabhängig voneinander unterwegs und trafen uns nur gelegentlich am einen oder anderen Stand.
Ich besuchte die folgenden Winzer (die Weingüter sind hier in alphabetischer Reihenfolge, die Weine in chronologischer Reihenfolge der Verkostung aufgeführt):
Weingut Graf Adelmann, Württemberg
Felix Graf Adelmann hat zum 1. Januar dieses Jahres den Betrieb offiziell von seinem Vater übernommen, nachdem er bereits für zwei Jahrgänge verantwortlich zeichnet. Auf der Weinbörse wurde der charismatische Juniorchef diesmal unterstützt von seinem Cousin Christian aus Bonn, der eigentlich in der Automobilindustrie tätig ist. Das Weingut bekommt in diesen Tagen auch einen neuen Kellermeister, doch damit ist Felix zufolge kein Paradigmenwechsel verbunden. Meine Favoriten bei der Verkostung:
- 2011 „Brüssele“ Grauburgunder trocken
- 2010 „Der Löwe von Schaubeck“ trocken, eine Weißweincuvée aus 50% Riesling sowie jeweils 25% Weiß- und Grauburgunder
- 2009 „Herbst im Park“ trocken, eine Rotweincuvée aus 50% Lemberger, 30% Spätburgunder und 20% Cabernet Sauvignon
- 2009 Oberer Berg Lemberger Großes Gewächs
Wein- und Sektgut Barth, Rheingau
Norbert Barths Schwiegersohn Mark hat gerade vor wenigen Wochen sein Studium in Geisenheim abgeschlossen, ist aber schon seit Jahren im Betrieb aktiv. Seine Bachelor Thesis schrieb er in Kooperation mit der Lufthansa und dem Fraunhofer IBP über die CO2-Stabilität im Schaumwein auf Reiseflughöhe; Quintessenz: „Die Kohlensäure entweicht im Flugzeug schneller.“ Barth konnte auch in diesem Jahr wieder sehr ansprechende Schaum- und Stillweine vorstellen. Meine Favoriten:
- 2008 Primus Hattenheim Hassel Riesling Sekt brut
- „Ultra“ Pinot Noir Sekt brut nature
- 2011 Hattenheim Hassel Riesling Spätlese
- 2009 Hallgarten Schönhell Riesling Auslese
Äußerst vielversprechend ist auch bereits die 2011er Hattenheim Schützenhaus Riesling Beerenauslese.
Weingut Bercher, Baden
Arne und Martin Bercher bewiesen wieder einmal, dass das Familienweingut zu den besten Erzeugern in Baden gehört. Arne Bercher machte klar, worauf es ihm ankommt: „Die Weine sollen nicht schwer im Glas liegen, sondern wir müssen sie auf die Beine bringen.“ Das gelingt in vielen Fällen unter anderem durch bemerkenswert filigranen Holzeinsatz. Meine Favoriten:
- 2011 Burkheimer Schlossgarten Grauburgunder Kabinett trocken
- 2011 Burkheimer Feuerberg Grauburgunder Spätlese trocken
- 2009 „Berchers“ Spätburgunder trocken
- 2009 „Limberg IX“ trocken, eine Rotweincuvée aus 50% Cabernet Sauvignon, 20% Merlot, 20% Lemberger und 10% Spätburgunder
Weingut Drautz-Able, Württemberg
Was Monika und Markus Drautz in diesem Jahr darboten, war wahrlich beeindruckend. Der Name Drautz geht übrigens zurück auf das mittelhochdeutsche Wort „drudaz“, das sinngemäß „der friedliebende Freund“ bedeutet. Aus diesem Grund ziert auch die Taube (bzw. deren zwei) als Friedenssymbol das Drautzsche Familienwappen. Meine Favoriten der faszinierenden Probe:
- 2011 „Drei Tauben“ Gewürztraminer Spätlese trocken (und zwar knochentrocken mit nur 0,3 g Restzucker)
- 2010 „Hades“ Sauvignon Blanc trocken (im Barrique vergoren und acht Monate auf der Feinhefe gelagert)
- 2010 Stiftsberg Riesling Großes Gewächs
- 2010 „Drei Tauben“ Trollinger trocken (von 40 Jahre alten Rebstöcken und zehn Monate im Barrique gereift, was üblicherweise kein Trollinger überleben würde)
- 2011 Heilbronner Stiftsberg Sauvignon Blanc Auslese
Die drei Sauvignon Blancs von Drautz-Able zählen unbestreitbar zu den besten in ganz Deutschland.
Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken, Mosel
Hanno Zilliken versteht sich auf hochwertige Saar-Rieslinge und lässt seinen Weinen viel Zeit. Meine Favoriten:
- 2011 Rausch Riesling Kabinett Erste Lage
- 2011 Rausch Riesling Spätlese Erste Lage
- 2011 Rausch Riesling Auslese Erste Lage
Alle drei genannten Spitzenweine sind aus Lesegut bereitet, das keinerlei Botrytis aufwies, und daher von besonderer Klarheit und Feinheit.
Weingut K. F. Groebe, Rheinhessen
Friedrich Groebe weiß, was er tut, und sein Selbstbewusstsein gründet auf Qualitätsbewusstsein. Er genoss es sichtlich, seine Standbesucher auch mit unangekündigten Spezialitäten zu überraschen. Meine Favoriten:
- 2011 Scheurebe trocken
- 2011 Kirchspiel Riesling Spätlese Erste Lage
- 2011 Aulerde Riesling Trockenbeerenauslese Erste Lage
- 2011 Kirchspiel Riesling Trockenbeerenauslese Erste Lage (mit 343 g Restzucker)
Völlig außer Konkurrenz lief die Riesling Trockenbeerenauslese aus dem Kirchspiel von 1988, die Groebe zusätzlich dabei hatte; ich notierte unter anderem: „entwaffnend“.
Weingut Gut Hermannsberg, Nahe
Über die ehemalige königlich-preußische Weinbaudomäne erschien vor rund zwei Monaten ein Buch mit der Geschichte des Betriebs seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Spiegel der Zeit. Die Weine setzen Akzente an der Nahe. Meine Favoriten:
- 2011 Niederhäuser Riesling trocken
- 2011 Schlossböckelheimer Riesling trocken
- 2010 Steinterrassen Riesling trocken
- 2011 Gut Hermannsberg Riesling Kabinett
- 2011 Kupfergrube Riesling Auslese
Weingut Reichsgraf und Marquis zu Hoensbroech, Baden
Adrian Graf von Hoensbroech stammt aus einem alten limburgischen Adelsgeschlecht und baut zu mehr als 80 Prozent Burgundersorten an. Mein Favorit:
- 2011 Michelfelder Himmelberg Auxerrois Kabinett trocken
Weingut Theo Minges, Pfalz
Theo Minges wird seit einigen Jahren im Betrieb und auf Präsentationen unterstützt von seiner, wann immer ich ihr begegnet bin, strahlenden Tochter Regine – so auch jetzt. Minges ist ein eigensinniger und kompromissloser Qualitätshandwerker, der finessenreiche und nachhaltige Weine produziert. Der Schlüssel dazu liegt sicher auch in seiner naturnahen und ganzheitlichen Herangehensweise, denn er achtet auf den „Energiefluss“ (und das klingt bei ihm absolut überzeugend und gar nicht metaphysisch verbrämt) vom Boden über die Pflanze bis ins Glas. Seine Weine überzeugen gleichermaßen. Meine Favoriten:
- 2011 Muskateller trocken (tritt an die Stelle der gelungenen Cuvée aus Muskateller und Riesling von 2010)
- 2011 Buntsandstein Riesling Spätlese trocken
- 2011 Kalkstein Riesling Spätlese trocken
- 2007 „ZE“ Spätburgunder trocken
Weingut Johann Ruck, Franken
Johann Ruck setzt auf die klassischen fränkischen Sorten: Silvaner und Riesling machen zusammen über drei Viertel seiner Rebfläche aus. Meine Favoriten:
- 2010 Julius-Echter-Berg Silvaner Großes Gewächs
- 2010 Julius-Echter-Berg Riesling Großes Gewächs
- 2011 „Estheria“ Scheurebe trocken
- 2011 „Myophorium“ Silvaner trocken
Seine „Estheria“ und „Myophorium“ nennt Ruck auch „Kinder des Meeres“, da ihnen fossile Muscheln und Meerestiere aus prähistorischer Zeit, die in den gleichnamigen Gesteinsschichten eingelagert sind, eine ganz spezielle, ausgeprägte Mineralität verleihen.
Weingut Schloss Johannisberg und Weingut G. H. von Mumm, Rheingau
Eine besondere Gelegenheit bot die Weinbörse, um die Weine der beiden benachbarten (und unter gleicher Verwaltung stehenden) Güter gegeneinander zu verkosten. So ließen sich Lagen, Jahrgänge und Qualitätsstufen direkt miteinander vergleichen. Meine Favoriten:
Schloss Johannisberg
- 2010 Schloss Johannisberger Silberlack Riesling Erstes Gewächs
- 2011 Schloss Johannisberger Grünlack Riesling Spätlese
- 2011 Schloss Johannisberger Rosalack Riesling Auslese
- 2011 Schloss Johannisberger Rosa-Goldlack Riesling Beerenauslese
- 2011 Schloss Johannisberger Goldlack Riesling Trockenbeerenauslese
G. H. von Mumm
- 2011 Johannisberger Schwarzenstein Riesling Spätlese
- 2011 Johannisberger Mittelhölle Riesling Beerenauslese
- 2011 Johannisberger Schwarzenstein Riesling Trockenbeerenauslese
Weingut Schloss Proschwitz, Sachsen
Die aktuelle Kollektion von Schloss Proschwitz hatte ich bereits auf der ProWein Anfang März komplett verkostet (und auch darüber berichtet); dennoch probierte ich die Weißweine nun nochmals. Mein immerwährender Favorit:
- 2011 Scheurebe trocken
Weingut Schloss Sommerhausen, Franken
Martin Steinmann wartete insbesondere mit zwei sehr interessanten weißen Cuvées auf, deren Trauben bereits zusammen vergoren wurden. Meine Favoriten:
- 2011 „Schenkentrunk“ Gewürztraminer & Silvaner trocken (Rebsortenverhältnis 60:40)
- 2011 „ST 5 Dinarazade“ Muskatsilvaner & Muskateller trocken (Rebsortenverhältnis 60:40)
- 2009 „ST 173“ Spätburgunder trocken
- 2005 Auxerrois Sekt extra brut (degorgiert im Dezember 2011)
Weingut Stadt Lahr / Familie Wöhrle, Baden
Markus Wöhrle betreibt ökologischen Weinbau und hat zu zwei Dritteln Burgundersorten im Anbau. Meine Favoriten:
- 2011 Auxerrois Kabinett trocken
- 2011 Grauburgunder Kabinett trocken
- 2011 Lahrer Kronenbühl Weißburgunder trocken
- 2011 Lahrer Kronenbühl Grauburgunder trocken
Domdechant Werner‘sches Weingut, Rheingau
Dr. Franz Werner Michel ist ein Urgestein der Rheingauer Weinszene, und er und seine Tochter Catharina Mauritz sind immer wieder angenehme, kompetente Gesprächspartner. Meine Favoriten der Probe:
- 2010 Kirchenstück Riesling Erstes Gewächs
- 2011 Hochheimer Domdechaney Riesling Spätlese
Dr. Michel hob besonders das „anthropogene Terroir“ der Domdechaney hervor, denn die heutige Spitzenlage war früher ein Sumpfloch und wurde erst im 18. Jahrhundert mittels Frondiensten der Bauern an die Mönche des Klosters aufgeschüttet.
Weingut Dr. Wehrheim, Pfalz
Bei Dr. Wehrheim unterhielt ich mich ausführlich mit Anette Falke und Franz Wehrheim – und fand hier mit dem erfrischenden 2011er „Buntstück“ Riesling trocken auch den idealen Reparaturwein für jede Rotweinprobe. Meine Favoriten:
- 2011 „Keuper S“ Chardonnay trocken
- 2011 „Rotliegendes S“ Riesling trocken
- 2009 Kastanienbusch Spätburgunder Großes Gewächs
Weingut Hans Wirsching, Franken
Armin Huth präsentierte gewohnt launig, eloquent und kenntnisreich das aktuelle Sortiment. Meine Favoriten:
- 2011 Iphöfer Kronsberg Alte Reben Silvaner trocken
- 2010 Julius-Echter-Berg Silvaner Großes Gewächs (hat sich innerhalb des vergangenen halben Jahres, seit ich ihn zuletzt probiert habe, großartig entwickelt)
- 2011 Scheurebe Alte Reben Spätlese trocken
Die Scheurebe bezeichnete Huth als „Sauvignon Blanc ohne Paprika“, und damit hat er in diesem Fall vollkommen recht. Er äußerte die Befürchtung, dass Sauvignon Blanc bald dasselbe Schicksal erleiden könnte wie vor Jahren der Chardonnay: Wenn er in einer bestimmten (hier: grünen) Stilistik zum Szeneliebling avanciert, wird der Markt seiner irgendwann überdrüssig. Das ist auch meines Erachtens nicht allzu abwegig; dann aber – so möchte ich hier anfügen – stehen die trockenen Scheureben schon in den Startlöchern.
Außer den Winzern traf ich natürlich auch zahlreiche Bekannte aus der Region (schließlich meiner „alten Heimat“) – etwa Bernd Klingenbrunn von K&M Gutsweine in Frankfurt, Wolfgang Behrens von Behrens Weine in Wiesbaden, Ingrid und Klaus M. Frank von IKF-Weine International in Rödermark, Kai Buhrfeindt vom Restaurant Grand Cru in Frankfurt und Helmut Weber vom Gastronomischen Antiquariat in Idstein. Umgeben von vielen bekannten, mitunter vertrauten Gesichtern und inmitten des Themas, das seit Jahren mein Leben bestimmt, kamen allein diese drei letzten Apriltage in Wiesbaden und Mainz dem gleich, was der Titel dieses Beitrags aussagen soll: einem wohltuenden Vollbad nicht mit Wasser, sondern mit Menschen und Wein.
Weinlagenwanderung an der Hessischen Bergstraße
Mit Menschen und Wein ging es auch am nächsten Tag weiter, indes im privaten Rahmen: Traditionell organisieren am 1. Mai die Bergsträßer Jungwinzer zwischen Zwingenberg und Heppenheim eine Wanderung durch die Weinberge, wo an acht Stationen unterwegs die lokalen Weine ausgeschenkt werden. Die Weinlagenwanderung ist in den letzten Jahren immer populärer geworden, so dass die Bahn mittlerweile Sonderzüge zwischen Frankfurt und Heidelberg einsetzt, die jedoch ebenfalls chronisch überfüllt sind. In diesem Jahr feierte das Event auch noch sein 25. Jubiläum (ich war etwa zum zehnten Mal dabei), und bei sonnigem Frühlingswetter waren nach offiziellen Schätzungen rund 40.000 Menschen unterwegs. So voll war es noch nie!
Wir waren auch immerhin zu vierzehnt und wanderten – wie jedes Mal – von Bensheim nach Zwingenberg. Neben Freundesgruppen jeden Alters und Familien mit Kindern trafen wir diesmal auf auffällig viele Jugendliche, die in größeren Horden leicht bekleidet, dafür deutlich alkoholisiert und teilweise mit lauter Musikbeschallung den Wanderweg entlangzogen. Erst ab Auerbach, als der Nachmittag schon etwas weiter fortgeschritten war, wurde es allmählich ruhiger auf der Strecke. Allerdings säumte dort – auch das ist jedes Jahr ein Problem – der Müll der vorbeigezogenen Trink- und Feierwütigen Straßen, Wege, Vorgärten, Veranden und Mauern, und zwar nicht nur Wein- und Sektflaschen, sondern auch Bierdosen zuhauf. Bei vielen kam es wohl nur auf Wirkungsgetränke an.
Tatsächlich jedoch waren die meisten der ausgeschenkten Weine nicht der Rede wert – am ehesten vielleicht noch der 2011er Bensheimer Kalkgasse Weißburgunder trocken vom Weingut der Stadt Bensheim. Einen würdigen Abschluss hatten wir aber an unserer letzten Station mit dem 2010er „Granit“ Riesling trocken von Simon-Bürkle.
Vom glamourösen Festball bis zur rustikalen Wanderung – so vielseitig kann Wein sein, und das macht ihn einmal mehr so wertvoll und liebenswert!