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Ende des Jahres 2012 gab es in Nürnberg und Frankfurt zwei Hausmessen von Weinhändlern, über die ich berichten will. Beide Veranstaltungen fanden an außergewöhnlichen Orten statt, bei beiden konnten die Besucher – im Gegensatz zu den meisten anderen Weinmessen – zwischendurch auch etwas essen (oft ein Schwachpunkt), und in beiden Fällen können sowohl die Händler als auch die Winzer, die sie eingeladen hatten, als „Überzeugungstäter“ in Sachen Qualität gelten.

K&U Hausmesse, Nürnberg

Am 16. und 17. November (Freitag und Samstag) lud die K&U Weinhalle in Nürnberg ins Ofenwerk, wo inmitten von historischen Autos „Speis‘, Trank und sinnliches Erleben“ geboten wurden. Zum 30-jährigen Bestehen des Weinfachhandels von Martin Kössler und Dunja Ulbricht (daher K&U) standen mehr als 300 Weine zur Verkostung, dazu offerierten regionale Produzenten und Restaurateure warme Speisen, Räucherfisch, Rohmilchkäse, Biobrot, Schokolade, Pâtisserie und Kaffeespezialitäten. Speziell der Käse – zumal im Eingangsbereich aufgebaut – machte wegen der dominanten olfaktorischen Ablenkung das Weinprobieren mitunter eher schwierig, doch die Verpflegung war wichtig und willkommen, und schließlich richtete sich die Messe in erster Linie an Endverbraucher und nicht an professionelle Degustatoren. Daran zeigt sich auch einmal mehr, wie sinnvoll – eigentlich unabdingbar – es ist, Weine unter neutralen Bedingungen zu verkosten, wenn man sie fachmännisch beurteilen will.

Firmenchef Martin Kössler sprach im Nachhinein von „der bisher erfolgreichsten aller Hausmessen“. Zwar seien wegen des höheren Eintrittspreises „etwas weniger Besucher“ gekommen, doch diese machten „dafür ca. 10 bis 20 Prozent mehr Umsatz. Genau das wollten wir.“ Die Atmosphäre sei noch besser gewesen als in den Vorjahren: „konzentrierter, mehr Platz und das mit den richtigen Kunden.“ Als „bemerkenswert“ bezeichnete Kössler auch die hohe Zahl an Besuchern, die nicht aus Nürnberg, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet, aus Österreich, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden angereist waren. „Das hat uns echt verblüfft“, so der umtriebige Weinhändler.

Kössler ist bekannt für seine direkte Art und seine anschauliche Sprache. Von ihm stammen Aussagen wie: „Es gibt mehr schlechte Winzer als schlechte Jahrgänge“ oder „Wein schmeckt nicht, Wein fühlt sich an“. Demnach geht es Kössler zufolge beim Weingenuss um Mundgefühl statt Geschmack, um Texturen und somit um die „Physik im Wein“. Die Weinqualität sei „fühlbar“, und darauf müsse man sich einlassen, denn: „Mit zunehmendem Lebensalter verlernen wir zu schmecken.“ Daher seien noch andere Sinne und Assoziationen hilfreich: „Ich denke in Farben“, erklärt Kössler. Er empfiehlt, bei der Verkostung „in die Rolle des Neugierigen zu schlüpfen“ und Dogmen und Ideologien zu hinterfragen.

„Unsere Branche lebt von Lügen, Märchen und Illusionen. Überall gibt‘s nur Spitzenweine – an der Tankstelle, im Supermarkt und beim Fachhändler“, wettert der Qualitätsfanatiker, dem der Unterschied zwischen „Industrie-Scheiße“ und „ehrlichem Wein“ am Herzen liegt. 80 Prozent aller Weine würden maschinell gelesen. Dabei erfolge keinerlei Selektion, so dass dann im Keller mit entsprechender Technik und Behandlung „repariert“ werden müsse. Wie sich minderwertige von hochwertigen Weinen unterscheiden ließen, bringt Kössler auf eine einfache Formel: „Billigweine zerfallen in ihre einzelnen Komponenten, gute Weine mit Substanz bilden eine Einheit.“ Zudem sei die „innere Chemie“ des Weins anders, wenn er mit natürlichen Hefen statt mit Reinzuchthefen vergoren werde.

Und dann wird Kössler drastisch: „Wein ist ein Kotzgetränk“, sagt er, denn darin seien über 200 allergene Stoffe enthalten, von denen keiner deklariert werden müsse. Er betont die „Gesundheit“ des Weins im doppelten Sinne: Zum einen müsse der Wein selbst gesund sein, d.h. die Trauben frei von Krankheiten, natürlich kultiviert und der Wein möglichst schonend (mit möglichst wenig Eingriffen seitens des Winzers) produziert. Zum anderen müsse der Wein für den Konsumenten bekömmlich und möglichst wenig belastend sein. Beide Dimensionen seien an zwei Faktoren festzumachen: am pH-Wert und an den im Wein enthaltenen biogenen Aminen. Im Detail hat Kössler das in der Kolumne „Der pH-Wert – unterschätzte Kenngröße für Weinqualität“ bei Wein-Plus ausgeführt.

In einer anderen Kolumne, „Alles Bio, alles gut?“, kommt er auch auf die „Bio-Lüge“ zu sprechen: Sämtliche chemischen Inhaltsstoffe, die gemäß einer Liste der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) im Wein zugelassen sind, sind durch die EU-Kellerrichtlinie seit Anfang 2012 auch für Biowein erlaubt. Biowein sei demzufolge „Makulatur“ und habe heutzutage „mit Nachhaltigkeit nichts zu tun“. Kössler fordert, die OIV müsse als neutrale, unpolitische Organisation festlegen, was guter, gesunder Wein sei und die Weinqualität anhand des pH-Werts definieren. Der pH-Wert mache auch den Unterscheid zwischen industriellen, handwerklichen und Bio- oder Naturweinen aus. Die USA hätten inzwischen strengere Richtlinien für chemische Inhaltsstoffe als die EU.

„Wein ist heute mehr eine Frage der Kommunikation als der Qualität“, folgert Kössler. Damit stelle ich automatisch auch die Frage nach der Qualität der Kommunikation ihrerseits. „Es gibt kein Wort, das beim Wein mehr verbogen wird als Mineralität. Wenn dem Winzer gar nichts mehr einfällt, ist der Wein entweder fruchtig oder mineralisch“, meint der strenge Beobachter seiner Branche. Und: „Nichts hat sich mehr verändert als der Begriff Reife.“ Über Weinkommunikation, wie sie ist und wie sie sein sollte, diskutierte Kössler auch im August 2012 mit Weingutachter Otto Geisel und Weinkritiker Marcus Hofschuster, zusammengefasst im Artikel „Wein braucht eine neue Sprache“ bei Wein-Plus.

Auf der K&U-Hausmesse – die auch für mich eine der wichtigsten und besten Weinveranstaltungen des Jahres war – traf ich außer Martin Kössler selbst unter anderem Andreas Essl und Dominik Portune vom Kommunikationsbüro wein und text aus Wien, Weindozent Max Hendlmeier sowie die Weinblogger Philipp Erik Breitenfeld und Ralf Kaiser. Einschließlich der Wachauer Ausnahme-Winzer Peter Malberg und Martin Muthenthaler, deren Spitzengewächse kurz zuvor im „BEST OF Wachau“ von Wein-Plus ausgezeichnet worden waren, besuchte ich an den zwei Tagen insgesamt 37 von rund 50 Erzeugern, und meine Favoriten der probierten Weine habe ich nachfolgend zusammengestellt:

Deutschland

Peter Jakob Kühn, Rheingau

  • 2011 Riesling Quarzit
  • 2011 Riesling L
  • 2011 Riesling Mittelheim St. Nikolaus
  • 2011 Riesling Doosberg

Auf die Frage eines Besuchers „Sie haben nur Riesling, oder?“ antwortete Kühn ebenso schelmisch wie selbstbewusst: „Wir können nix anderes.“

Österreich

Kirchmayr, Niederösterreich (Kamptal, Kremstal, Wachau)

  • Birnenschaumwein
  • 2011 Grüner Veltliner Vom Löss (K&U Sonderedition)
  • 2010 Grüner Veltliner Fass 5 Straßer Stangl
  • 2010 Riesling Steiner Hund
  • 2011 Grüner Veltliner Fass 8 (K&U Sonderedition)
  • 1999 Solist Pinot Blanc Klostersatz
  • 1995 Solist Grüner Veltliner Klostersatz
  • 1992 Solist Riesling

Hier war ich wirklich von allen Weinen begeistert, vom animierenden, stoffigen und gleichzeitig federleichten Birnenschaumwein bis zu den feinen, komplexen und nachhaltigen gereiften Weißweinen – das Weingut Kirchmayr ist meine ganz besondere Entdeckung auf der Messe.

Uwe Schiefer, Burgenland

  • 2011 Weißer Schiefer S
  • 2010 Blaufränkisch Eisenberg
  • 2009 Blaufränkisch Szapary
  • 2010 Blaufränkisch Reihburg

Slowenien

Simčič, Goriška Brda

  • 2009 Sauvignon Blanc Selekcija
  • 2008 Sauvignon Blanc Opoka
  • 2007 Rebula Opoka

Frankreich

Veuve Fourny, Champagne

  • Champagne Blanc des Blancs Premier Cru Brut Nature
  • 2007 Champagne Millésime Premier Cru Brut (K&U Sonderedition)
  • Champagne R de Veuve Fourny Extra Brut

Die Verkostung war eingebettet in eine lange, ebenso charmante wie fachlich aufschlussreiche Unterhaltung mit Charles-Henry Fourny, dem Chef des Hauses. Die Terroir-Champagner haben jeweils ihren individuellen Charakter und zeigen diesen auch.

Sylvain Pataille, Bourgogne

  • 2010 Marsannay Blanc
  • 2010 Marsannay Rouge

Patrick Puize, Bourgogne

  • 2011 Chablis Terroirs de Courgis

Antoine Jobard, Bourgogne

  • 2009 Meursault En la Barre

Stéphane Tissot, Jura

  • 2010 Chardonnay Arbois Classique

Bouvet-Ladubay, Loire

  • Saumur Brut Blanc Trésor
  • 2007 Saumur Brut Instinct

Das gesamte Sortiment von Bouvet-Ladubay war wieder einmal absolut überzeugend und bietet meiner Ansicht nach das beste Preis-Genuss-Verhältnis bei Crémant de Loire, das man bekommen kann.

Clos Rougeard, Loire

  • 2007 Saumur-Champigny Les Poyeux

La Madone, Côtes du Forez

  • 2011 Migmatite
  • 2011 La Madone Gamay sur Volcan

Martin Kössler meinte zum Gamay sur Volcan: „Die ganzen Warmduscher, die am liebsten weichgespülten Merlot kaufen, sollte man auf Gamay umpolen.“

Saladin, Rhône

  • 2009 Côtes du Rhône Villages Blanc Per El
  • 2007 Côtes du Rhône Villages Fan dé Lune
  • 2007 Syrah Chaveyron 1422

Clos de Trias, Rhône

  • 2007 Ventoux Vieilles Vignes
  • 2007 Ventoux Pied Porcher

Even Bakke ist Norweger, hat in Kalifornien als Weinmacher gearbeitet und produziert nun im eigenen Gut in Südfrankreich seine eigenen Weine.

Ogier, Rhône

  • 2010 Viognier La Rosine
  • 2009 Syrah La Rosine
  • 2009 Syrah L‘Âme Sœur

Vincent Paris, Rhône

  • 2008 Cornas Granit 30

Binet & Jacquet, Languedoc

  • 2009 Faugères Réserve
  • 2010 Faugères Grande Réserve

L‘Horizon, Roussillon

  • 2010 Le Patriot
  • 2008 Domaine de l‘Horizon Blanc
  • 2010 Domaine de l‘Horizon Blanc
  • 2010 L‘Esprit
  • 2009 Domaine de l‘Horizon Rouge
  • 2010 Domaine de l‘Horizon Rouge

Italien

Foradori, Trentino

  • 2010 Nosiola Fontanasanta
  • 2008 Granato Rosso
  • 2010 Morei Teroldego Rotaliano
  • 2010 Sgarzon Teroldego Rotaliano

Olivini, Veneto

  • 2007 Merlot Notte a San Martino

Cos, Sicilia

  • 2011 Pithos Bianco Anfora
  • 2009 Nero d‘Avola Nero di Lupo

Spanien

Adur, Barrero y Gomez, País Vasco

  • 2011 Getariako Txakolina Adur

USA

Cristom, Oregon

  • 2008 Pinot Noir Sommers Reserve

Hirsch, Sonoma

  • 2009 Pinot Noir San Andreas Fault

Nalle, Sonoma

  • 2009 Zinfandel Dry Creek Valley

Ridge, Santa Cruz

  • 2009 Zinfandel Geyserville

Au Bon Climat, Santa Barbara

  • 2008 Chardonnay Sanford & Benedict Santa Rita Hills
  • 2006 Pinot Noir Barham Mendelsohn Russian River
  • 2009 XXX. Anniversary Chardonnay Nuits-Blanches au Bouge Santa Maria Valley

Der legendäre Jim Clendenen war ein echter Besuchermagnet.

K&M Hausmesse, Frankfurt

Die Weinhandlung K&M Gutsweine mit zwei Filialen in Frankfurt bat am Samstag, 1. Dezember, ins Kochstudio von Ketao Kitchen zu ihrer zweiten Hausmesse. Gastgeber waren die Inhaber Bernd Klingenbrunn (das „K“) und Armin Busch (geb. Maurer, das „M“) nebst Ehefrauen sowie ihre Mitarbeiterin Gabriele Hegner. Rund 20 Winzer präsentierten über 70 Weine, die ich auch fast alle probierte. Auch der Austausch mit den Erzeugern war sehr angeregt. Besonders gut: Die Speisen, die als Flying Buffet serviert wurden, waren hier im Eintrittspreis inbegriffen. Weiterhin positiv: Der Verkostungsparcours begann im hinteren Teil des Raumes, gleich neben der Garderobe, so dass sich nicht alles am Eingang drängte. Einzigartig war bei dieser Weinmesse die regelrechte Partystimmung – so ausgelassen, zwanglos und genussorientiert habe ich selten eine Veranstaltung dieser Art erlebt.

Vor Ort war auch Weinmacher und -blogger Dirk Würtz, der in einem Blogbeitrag interessante Schlussfolgerungen aus seinen Gesprächen mit Besuchern zieht.

Meine Favoriten unter den Weinen:

Deutschland

Balthasar Ress, Rheingau

  • 2011 Riesling Von Unserm S Alte Reben
  • 2011 Rottland Riesling

von Racknitz, Nahe

  • 2011 Riesling Vom Vulkangestein
  • 2011 Riesling vom Kieselstein
  • 2010 Odernheim Disibodenberg Riesling

Wittmann, Rheinhessen

  • 2011 Silvaner
  • 2011 Weißburgunder
  • 2011 Westhofener Riesling
  • 2011 Kirchspiel Riesling Grosses Gewächs

Bei Philipp Wittmann war das gesamte vorgestellte Sortiment in jeder Hinsicht überzeugend.

Frankreich

Janisson-Baradon, Champagne

  • Champagne Sélection Brut
  • Champagne Non Dosé
  • Champagne Grande Réserve
  • 2005 Champagne Tue Bœuf

Michel Martin, Bourgogne

  • 2009 Savigny-les-Beaune
  • 2008 Savigny-les-Beaune
  • 2009 Clos du Roi Beaune Premier Cru
  • 2008 Clos du Roi Beaune Premier Cru

Chavy-Chouet, Bourgogne

  • 2010 Saint-Aubin Premier Cru Les Murgers des Dents de Chien
  • 2011 Puligny-Montrachet Premier Cru Les Folatières

Roche-Audran, Rhône

  • 2007 Côtes-du-Rhône Villages Visan Père Mayeux

Château Haut Monplaisir, Cahors

  • 2009 Cahors Tradition
  • 2007 Cahors Pur Plaisir

Château d‘Aydie, Madiran

  • 2009 Ode d‘Aydie (100 % Tannat)

Château Segonzac, Bordeaux

  • 2009 Segonzac Vieilles Vignes (80 % Merlot, 10 % Cabernet Sauvignon, 10 % Malbec)
  • 2010 Segonzac Vieilles Vignes (80 % Merlot, 10 % Cabernet Sauvignon, 10 % Malbec)
  • 2009 Segonzac Héritage Classique (60 % Merlot, 30 % Cabernet Sauvignon, 10 % Cabernet Franc)
  • 2010 Segonzac Héritage Classique (40 % Caberbet Sauvignon, 30 % Petit Verdot, 30 % Merlot)

Château le Reysse, Bordeaux

  • 2010 Château le Reysse Médoc
  • 2011 Château Clos du Moulin

St. Eugène, Languedoc

  • 2009 Les Trois Tomates Barrique

Italien

Valdonica, Toscana

  • 2008 Saragio Montereggio di Massa Marittima
  • 2008 Baciolo Montereggio di Massa Marittima

Poggio al Gello, Toscana

  • 2009 Pugnitello delle Piaggione
  • 2010 Pugnitello delle Piaggione

Zanoni, Veneto

  • 2010 Valpolicella
  • 2007 Amarone della Valpolicella
  • 2004 Amarone della Valpolicella

Zanoni steht für einen Paradigmenwechsel – hier lernt man Valpolicella und Amarone völlig neu kennen.

Spanien

Alconde, Navarra

  • 2001 Sardasol Rosado
  • 2008 Sardasol Crianza
  • 2006 Sardasol Cabernet Sauvignon Riserva

Monteabellón, Ribera del Duero

  • 2009 Monteabellón Crianza

La Quietud, Toro

  • 2010 Corral de Campanas
  • 2007 Quinta Quietud

Portugal

Chocapalha, Lisboa

  • 2008 Chocapalha Tinto

Passadouro, Douro

  • 2005 Passadouro Reserva Tinto

Wine & Soul, Douro

  • 2009 Pintas